„Reiner, wenn hier jemand reinkommt, hörst du schön
interessiert zu.“
Das war meine erste Arbeitsanweisung an jenem ersten
Arbeitstag meines Praktikums im Sozialamt einer kleinen Bergischen Gemeinde
- damals anno 1979.
„Mach dir keine Notizen und wenn der Besucher fertig ist,
lehnen wir sein Gesuch ab…“
Das leuchtete mir nun gar nicht ein.
War das Sozialamt nicht dazu da, Mitbürgern in finanziellen
und sozialen Notlagen Hilfe und Unterstützung zu gewähren?
Mein Blick muss Bände gesprochen haben, denn mein Gegenüber
in dem kleinen Büro fügte eine weitere Erklärung hinzu:
„Wir müssen bei den Sozialleistungen sparen und von denen,
die du wegschickst kommt mindestens die Hälfte nicht mehr wieder…“
Das erklärte zunächst einmal etwas, aber nicht alles. Aber
andererseits machte ich mir als 20-jähriger Praktikant und damals aufstrebender
Stern am Sozialarbeiter-Himmel auch nicht mehr allzu viel Gedanken darüber.
Erst einige Jahre später, als sich mein Traum eines Studiums
ausgeträumt hatte und ich eine Umschulung zum Verwaltungsangestellten in
Angriff nahm und im Rahmen dieser Maßnahme am Studieninstitut für kommunale
Verwaltung in Köln unterrichtet wurde, dämmerte mir im Fach „Sozialrecht“ ganz
plötzlich, welch ein Schmuh da mit dem Bürger getrieben wurde – nicht nur in
meinem Heimatort, mitnichten, diese Praxis ist bundesweit in allen Behörden
üblich.
Der Bürger, dem ich geduldig zuhörte, ohne mir Notizen zu
machen, war, nachdem er weggeschickt wurde, nicht aktenkundig und da ihm
Leistungen nach BSHG ab dem Tag, an dem seine Notlage der Behörde bekannt
wurde, zustand, hatte der zuständige Sachbearbeiter hier schon einmal einen
kleinen Beitrag zu den behördlichen Sparmaßnahmen geleistet.
Und eingedenk der Tatsache, dass viele Bürger, die sich ja
eh schon dazu überwinden mussten, überhaupt auf dem Sozialamt vorzusprechen und
sich in Folge dessen kein zweites Mal dort blicken ließen, wurde auch hier an Leistungen
gespart, die eigentlich jemandem zugestanden hätten…
Wie gesagt, diese Praxis ist gang und gäbe in fast allen
Behörden unseres Landes – der normale Bürger weiß ja auch nicht, wie die
Gesetzeslage ist und was ihm im Zweifelsfalle alles zusteht oder auch nicht.
Ein paar unfreundlich dahingeblaffte Bemerkungen des
Sachbearbeiters der Behörde, bei der man vorstellig wird, wirken da wahre
Wunder.
Lügen, Verschweigen, wissentliche Falschinformation und ganz
offene Rechtsbeugung, die nicht selten für eine strafrechtliche
Verfolgung des Betreffenden ausreichen würde, sind an der Tagesordnung.
Ich gehe (fast) jede Wette mit so ziemlich Jedem ein, dass
ein jeder ein Beispiel dieser behördlichen Willkür anbringen kann.
Und leider, leider wehren sich viel zu wenige, wenn sie „vom
Amt“ in gesetzeswidriger Weise über den Tisch gezogen wurden.
Keinem scheint einzufallen, dass diese „popeligen“ (Ich war
selbst jahrelang einer – bevor ihr jetzt entrüstet aufschreit!) Sachbearbeiter
doch eigentlich und real von unseren Steuergeldern dafür bezahlt werden, um im
Dienste des Bürgers für den Bürger tätig zu werden….
Die Realität ist leider immer wieder genau andersherum: Da
spielen sich kleine Sachbearbeiter als Herren über Recht und Gesetz auf,
schüchtern ein, wo sich Widerspruch regt und drangsalieren mittels Sanktionen
oftmals ungerechtfertigt diejenigen, die es gewagt haben, sich zur Wehr zu
setzen.
Dabei kann ich jedem nur raten, sich zu wehren – selbst wenn
es nur um die kleinste Kleinigkeit geht.
Man muss diesen Bürohengsten und – Stuten immer wieder
zeigen, dass nicht sie die Herren sind, sondern DU und ICH, nämlich der nervige
Bürger, der seine ihm gesetzlich zugestandenen Leistungen erhalten möchte.
Nehmen wir nur den letzten Fall aus meinem persönlichen
Erleben:
Nachdem mich eine Zeitarbeitsfirma im Juni schon jubeln
ließ, weil ich glaubte, endlich der erniedrigenden Hartz-IV-Gängelei entkommen
zu sein und sich nach nur drei kurzen Wochen herausstellte, dass ich
wissentlich und vorsätzlich über den Tisch gezogen wurde, standen mir bei der
Reaktion meines zuständigen Jobcenters nur noch die Haare zu Berge!
Da erdreistete sich die Sachbearbeiterin meines Falles doch
tatsächlich,MIR eine dreimonatige 30%ige Leistungskürzung nicht nur anzudrohen
– nein, nachdem ich meinen Protest vorgebracht hatte und auch mit der gültigen Rechtslage
nach Arbeitsrecht und Vertragsrecht nach BGB belegen konnte, hing ich erst mal
so richtig in der Scheiße…
30 Prozent weniger Kohle von 391 Euro ist für jemand, der eh
nix hat, eine gewaltige Menge…
Aber nicht mit mir – immerhin ist gegen so einen Bescheid
Widerspruch möglich, der auch Gewehr bei Fuß folgte.
Wieder argumentierte ich,
wie die gültige Rechtslage in diesem Fall sei und konnte mir nicht verkneifen,
die Behörde darauf hinzuweisen, dass es echt traurig ist, wenn so ein popeliger
Bürger sie auf bestehende Gesetze hinweisen muss und ich empfahl ihnen
gleichzeitig gönnerhaft, vor der erneuten Ablehnung meines Widerspruchs, einen
Rechtsbeistand zu konsultieren (ja, ich kann mich, wenn ich will, tatsächlich
so geschwollen ausdrücken), um sich bei dem Gerichtsverfahren, dass ich bei
einer erneuten Ablehnung meines Protestes anstrengen würde, eine peinliche
Niederlage zu ersparen…
Es dauerte zwar einen Monat – in dem die Kohle dann auch
wirklich sehr knapp war – aber siehe da und staune, meinem Widerspruch wurde
voll und ganz Folge geleistet – vor Gericht wollte man mit mir gar nicht erst
ziehen…
Also, Mitbürger und Leser – wenn euch jemals eine Behörde in
irgendeiner Weise quer kommt: Werft nicht die Flinte ins Korn und denkt, da
kann man nix machen…!
Man kann sehr wohl was machen - vor allem, wenn man bedenkt,
dass die zuständigen Damen und Herren auf ihren bequemen Sesseln damit rechnen,
dass sich der Großteil der von ihnen misshandelten Bürger nicht wehren wird!
Wider die Behördenwillkür!
Steht auf und wehrt Euch!