Mittwoch, 27. August 2014

Wider die Behördenwillkür!

„Reiner, wenn hier jemand reinkommt, hörst du schön interessiert zu.“

Das war meine erste Arbeitsanweisung an jenem ersten Arbeitstag meines Praktikums im Sozialamt einer kleinen Bergischen Gemeinde -  damals anno 1979.
„Mach dir keine Notizen und wenn der Besucher fertig ist, lehnen wir sein Gesuch ab…“

Das leuchtete mir nun gar nicht ein.

War das Sozialamt nicht dazu da, Mitbürgern in finanziellen und sozialen Notlagen Hilfe und Unterstützung zu gewähren?

Mein Blick muss Bände gesprochen haben, denn mein Gegenüber in dem kleinen Büro fügte eine weitere Erklärung hinzu:
„Wir müssen bei den Sozialleistungen sparen und von denen, die du wegschickst kommt mindestens die Hälfte nicht mehr wieder…“

Das erklärte zunächst einmal etwas, aber nicht alles. Aber andererseits machte ich mir als 20-jähriger Praktikant und damals aufstrebender Stern am Sozialarbeiter-Himmel auch nicht mehr allzu viel Gedanken darüber.

Erst einige Jahre später, als sich mein Traum eines Studiums ausgeträumt hatte und ich eine Umschulung zum Verwaltungsangestellten in Angriff nahm und im Rahmen dieser Maßnahme am Studieninstitut für kommunale Verwaltung in Köln unterrichtet wurde, dämmerte mir im Fach „Sozialrecht“ ganz plötzlich, welch ein Schmuh da mit dem Bürger getrieben wurde – nicht nur in meinem Heimatort, mitnichten, diese Praxis ist bundesweit in allen Behörden üblich.

Der Bürger, dem ich geduldig zuhörte, ohne mir Notizen zu machen, war, nachdem er weggeschickt wurde, nicht aktenkundig und da ihm Leistungen nach BSHG ab dem Tag, an dem seine Notlage der Behörde bekannt wurde, zustand, hatte der zuständige Sachbearbeiter hier schon einmal einen kleinen Beitrag zu den behördlichen Sparmaßnahmen geleistet.

Und eingedenk der Tatsache, dass viele Bürger, die sich ja eh schon dazu überwinden mussten, überhaupt auf dem Sozialamt vorzusprechen und sich in Folge dessen kein zweites Mal dort blicken ließen, wurde auch hier an Leistungen gespart, die eigentlich jemandem zugestanden hätten…

Wie gesagt, diese Praxis ist gang und gäbe in fast allen Behörden unseres Landes – der normale Bürger weiß ja auch nicht, wie die Gesetzeslage ist und was ihm im Zweifelsfalle alles zusteht oder auch nicht.

Ein paar unfreundlich dahingeblaffte Bemerkungen des Sachbearbeiters der Behörde, bei der man vorstellig wird, wirken da wahre Wunder.

Lügen, Verschweigen, wissentliche Falschinformation und ganz offene Rechtsbeugung, die nicht selten  für eine strafrechtliche Verfolgung des Betreffenden ausreichen würde, sind an der Tagesordnung.

Ich gehe (fast) jede Wette mit so ziemlich Jedem ein, dass ein jeder ein Beispiel dieser behördlichen Willkür anbringen kann.

Und leider, leider wehren sich viel zu wenige, wenn sie „vom Amt“ in gesetzeswidriger Weise über den Tisch gezogen wurden.

Keinem scheint einzufallen, dass diese „popeligen“ (Ich war selbst jahrelang einer – bevor ihr jetzt entrüstet aufschreit!) Sachbearbeiter doch eigentlich und real von unseren Steuergeldern dafür bezahlt werden, um im Dienste des Bürgers für den Bürger tätig zu werden….

Die Realität ist leider immer wieder genau andersherum: Da spielen sich kleine Sachbearbeiter als Herren über Recht und Gesetz auf, schüchtern ein, wo sich Widerspruch regt und drangsalieren mittels Sanktionen oftmals ungerechtfertigt diejenigen, die es gewagt haben, sich zur Wehr zu setzen.

Dabei kann ich jedem nur raten, sich zu wehren – selbst wenn es nur um die kleinste Kleinigkeit geht.
Man muss diesen Bürohengsten und – Stuten immer wieder zeigen, dass nicht sie die Herren sind, sondern DU und ICH, nämlich der nervige Bürger, der seine ihm gesetzlich zugestandenen Leistungen erhalten möchte.

Nehmen wir nur den letzten Fall aus meinem persönlichen Erleben:

Nachdem mich eine Zeitarbeitsfirma im Juni schon jubeln ließ, weil ich glaubte, endlich der erniedrigenden Hartz-IV-Gängelei entkommen zu sein und sich nach nur drei kurzen Wochen herausstellte, dass ich wissentlich und vorsätzlich über den Tisch gezogen wurde, standen mir bei der Reaktion meines zuständigen Jobcenters nur noch die Haare zu Berge!

Da erdreistete sich die Sachbearbeiterin meines Falles doch tatsächlich,MIR eine dreimonatige 30%ige Leistungskürzung nicht nur anzudrohen – nein, nachdem ich meinen Protest vorgebracht hatte und auch mit der gültigen Rechtslage nach Arbeitsrecht und Vertragsrecht nach BGB belegen konnte, hing ich erst mal so richtig in der Scheiße…

30 Prozent weniger Kohle von 391 Euro ist für jemand, der eh nix hat, eine gewaltige Menge…

Aber nicht mit mir – immerhin ist gegen so einen Bescheid Widerspruch möglich, der auch Gewehr bei Fuß folgte.

Wieder argumentierte ich, wie die gültige Rechtslage in diesem Fall sei und konnte mir nicht verkneifen, die Behörde darauf hinzuweisen, dass es echt traurig ist, wenn so ein popeliger Bürger sie auf bestehende Gesetze hinweisen muss und ich empfahl ihnen gleichzeitig gönnerhaft, vor der erneuten Ablehnung meines Widerspruchs, einen Rechtsbeistand zu konsultieren (ja, ich kann mich, wenn ich will, tatsächlich so geschwollen ausdrücken), um sich bei dem Gerichtsverfahren, dass ich bei einer erneuten Ablehnung meines Protestes anstrengen würde, eine peinliche Niederlage zu ersparen…

Es dauerte zwar einen Monat – in dem die Kohle dann auch wirklich sehr knapp war – aber siehe da und staune, meinem Widerspruch wurde voll und ganz Folge geleistet – vor Gericht wollte man mit mir gar nicht erst ziehen…

Also, Mitbürger und Leser – wenn euch jemals eine Behörde in irgendeiner Weise quer kommt: Werft nicht die Flinte ins Korn und denkt, da kann man nix machen…!

Man kann sehr wohl was machen - vor allem, wenn man bedenkt, dass die zuständigen Damen und Herren auf ihren bequemen Sesseln damit rechnen, dass sich der Großteil der von ihnen misshandelten Bürger nicht wehren wird!

Wider die Behördenwillkür!


Steht auf und wehrt Euch!