Sonntag, 29. September 2013

Alles nur geklaut...

Skandal!

Wieder einmal hallt der Schrei der Entrüstung durch die Lande - wieder einmal hat man einen der allgegenwärtigen Doktoren vermeintlich dabei ertappt, in seiner Dissertation von jemandem abgekupfert zu haben.

Ach Gottchen, was ist denn jetzt schon wieder?

Nun soll der Steinmeier, ja genau, der von der SPD, der auch schon mal Außenminister war, seine Doktorarbeit mit den Früchten der Arbeit anderer vermengt haben. Ein Grund also für denen einen oder anderen im Lande sofort wieder mit dem Finger aufzuzeigen und Zeter und Mordio zu schreien, als würden soeben wieder die Hunnen ins Land strömen und jeden, der nicht schnell genug irgendwo Deckung findet, niedermetzeln.

Betrug!

Hallt es wieder aus dem einen oder anderen Munde!

Hängt ihn auf! - Ach nein, das wäre dann doch wieder zu krass. Man ist hierzulande doch zivilisiert - behauptet man zumindest.

Aber sind wir das wirklich?

Was ist denn wirklich dran an diesem seit einiger Zeit hin und wieder immer mal aufflackernden Geschrei über Plagiatoren, die sich in ihren Doktorarbeiten mit fremder Leute Federn schmücken sollen?

Abkupfern hat doch eine lange Tradition nicht nur in unserem Land - oder wird irgendwer ernsthaft - und vor allem glaubhaft - von sich weisen können, schon zu Schulzeiten, zumeist heimlich, von seinem Platznachbarn das eine oder andere Ergebnis einer Klassenarbeit erspäht zu haben?

Oder gar in der Pause vor der nächsten Stunde ganze Hausaufgaben von einem Kameraden kritiklos und vor allem gerne, schnell abgepinnt zu haben?

Was soll also plötzlich dieses Geschrei?

Wieder mal so ein öffentliches Heucheln und Mit-dem-Finger-auf-jemand-Anderen-Zeigen, weil man mal wieder irgendeinen braucht, den man denunzieren will.

Dabei sind wir doch letztendlich allesamt wie wir hier jetzt auf den Monitor unseres PCs / Laptops oder was-weiß-ich-auch-immer starren und vielleicht wie ich den Kopf über solche Niedertracht schütteln, doch letztendlich auch nur Plagiatoren...

Schon wenn jemand einen dazu auffordert, er könne uns am Arsch lecken, ist dies doch ein Plagiat. Schließlich hat diese hehren Worte dereinst unser aller Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe in seinem schönen Schauspiel über den Raubritter Götz von Berlichingen niedergeschrieben und ich denke mir mal, auch der wird diesen Spruch wieder von jemand anderen gehört haben, bevor er ihn in seinem Stück dann für alle Zeiten zu einem "geflügelten Wort" emporhob.

Und kaum einer von uns schiebt diesem Wunsch, den Hinweis auf den Urheber nach, um sein Plagiat in ein zulässiges Zitat zu verwandeln.

Klänge ja auch ziemlich dämlich, würde ich Folgendes von mir geben: "Deine Thesen in deiner Dissertation - ja also, die Botschaft höre ich gern, allein, mir fehlt Glaube, was jetzt ein Goethe-Zitat aus Faust - der Tragödie Erster Teil war. Aber bist du sicher, dass deine Aussagen stimmen? Was du da anführst ist nun mal nicht des Pudels Kern - dies ist ebenfalls aus Faust Eins zitiert... Du müsstest mir das bitte alles noch einmal genauer erklären..."

Also wirklich...

Schon mein Eingangswort "Skandal" ist ein Plagiat - schließlich bin ich nicht der erste, der es benutzt oder gar niederschreibt. Muss jetzt also mein gesamter Beitrag verdammt und vielleicht auf einem Scheiterhaufen dem Gott der Heuchelei geopfert werden?

Ist nicht alles, was wir von uns geben letzten Endes von irgendjemanden schon gesagt oder gar geschrieben worden?

Wer hat zu allererst in der Geschichte des Homo sapiens sapiens das Wort "Mama" artikuliert?

Hat er nun ein Urheberrecht hierauf?

Wer hat es zuerst wo niedergeschrieben?

Okay, dass ist jetzt alles ein bisschen sehr überspitzt, aber mal ganz ehrlich - seid ihr es nicht auch langsam Leid, dass irgendein heuchlerischer Arschkriecher aus welchem Grund auch immer - vielleicht, weil er gerade nichts anderes zu tun hat oder ihm ein Furz quer sitzt - irgendjemandes Dissertation zu zerpflücken versucht, nur um den Verfasser in Mißkredit zu bringen?

Mich kotzt diese Heuchelei einfach nur an!

Wenn jemand ernsthaft glaubt, er könne eine Doktorarbeit verfassen, ohne bei irgendwem auch nur ein einziges Wort abzukupfern - na dann, hau rein in die Tasten, lass den Bleistift rauschen!

Aber bedenke, es wird sich bestimmt wieder irgendein Korinthenkacker finden, der sich dein Pamphlet vornimmt, in der niederträchtigen Absicht, es zu zerpflücken und die Aberkennung deines Titels zu erwirken.

Vielleicht wäre es da doch ganz einfach viel leichter, man würde diese Titel ganz abschaffen, dann kann auch kein vor Neid oder Mißgunst (jetzt weiß ich gar nicht, ob beides das Gleiche - das Selbe - bedeutet; ich denke aber mal, auch da wird sich jemand finden, der meine Beiträge der Verdammnis überantworten möchte) zerfressener Ehrgeizling dahingehen und die Mühe, die eine solche Abhandlung mit sich bringt, zunichte machen...

Also, ihr Doktoren, Professoren und was-auch-immer da draußen im Land: Ich wünsche euch allen einen schönen Sonntag nachmittag. Erfreut euch an eurem Titel, schon morgen kann irgend so ein Hirnamputierter auch Euch aufs Korn nehmen...

Mittwoch, 25. September 2013

Der große Katzenjammer

So, nun hab ich einige Tage seit diesem Wahlergebnis verstreichen lassen.

Zu meinem Leidwesen bin ich nicht zwischenzeitlich verstorben - das heißt dann halt ganz konkret, dass ich mit dem Ergebnis dieser Bundestagswahl die nächsten vier Jahre leben muss - wohl oder übel. Da hilft kein Jammern, man kann nur geflissentlich bei Auslandsbesuchen den Gebrauch der deutschen Sprache vermeiden, um nicht jeden darauf hinzuweisen, dass man aus Dummbeutelland kommt.

Hat zu Kanzler Kohls Zeiten auch ganz gut geklappt.

Es ist halt tatsächlich so, dass die jahrzehntelangen Verdummungskampagnen von BILD-Zeitung und Hartz-IV-TV irgendwo und irgendwann deutliche Spuren hinterlassen müssen - und dieser Zeitpunkt scheint im Moment gekommen zu sein.

Schön dann auch das Gejammer und Gezeter solcher Leute zu vernehmen, die die Wahlmöglichkeit nach dem althergebrachten Motto "Ich kann ja eh nichts ändern" einfach mal wieder nicht wahrgenommen haben - egal, wen sie letztendlich gewählt hätten...

Viel erbaulicher ist da schon der Katzenjammer bei den Verlierern dieser Merkelbestätigung: Rösler und Brüderle beim ersten Statement den Tränen nahe, stocksteif in den Trümmern eines halben Jahrhunderts stehend.
Klar, dass diese Politiker nun das Handtuch werfen - sie sind ja jetzt im politischen Sinne arbeitslos.

Der Untergang der FDP war nur eine Frage der Zeit - irgendwann hat sich jeder bundesdeutsche Lobbyist einfach die Frage stellen müssen, warum man den kleinen Brüdele (Späßle gemacht) wählen soll, wenn man das ganze doch auch in Groß und Schwarz haben kann.

Genauso schön die Rücktrittswelle unter den völlig geschockten Grünen:

Doch wieso sind die so entsetzt?

Sie haben doch letztlich noch viel mehr Stimmen bekommen, als sie verdient hätten.
Immerhin haben sie sich ja auch allergrößte Mühe gegeben, dem Wähler mitzuteilen, dass sie gar nicht gewählt werden wollen. 
Wenn man sie in der Vergangenheit wenigstens noch als ökologisches Zipfelchen gegen die etablierte Energiepolitik wählen konnte, war das jetzt ja nicht mehr möglich, weil die "grünen" Themen ganz plötzlich futsch waren und stattdessen stellte man dem Wahlvolk die Frage: "Wollt ihr das totale Verbot?" und anders als in den dunkelsten deutschen Zeiten hat das Volk nicht frenetisch zugestimmt. 

Die Vorstellung, das "künftig jede Erlaubnis mit einem doppelten Verbot vergolten werde" hat sich als Rohrkrepierer entpuppt, der sich in der Fresse der Schützen entladen hat.

Und dann - was bleibt jetzt noch?

Höre ich da große Koalition?

Seid ihr denn deppert?

Das hieße dann, dass Dreiviertel des Bundestags an einem Strang ziehen würden, die Opposition wäre so gut wie ausgeschaltet und auch die entgegengesetzte Mehrheit im Bundesrat, der bisher Frau Merkel ab und an noch in die Suppe spucken konnte, wäre dann weg - alles wäre gleichgeschaltet - das schmeckt verdächtig nach Diktatur...

Eigentlich sollten alle die Koalition verweigern. Soll Frau Merkel sich doch mit einer Minderheitsregierung in ihrem vermeintlichen Wahlsieg suhlen und fürderhin vier Jahre lang gegen Windmühlen kämpfen. Sollte aus der CDU/CSU-Bande mal etwas vernünftiges in die Wege geleitet werden, kann man auch als Opposition hin und wieder konstruktiv mitarbeiten.

Man merkt, schon, ich wünsche den Wahlsiegern nicht gerade das Beste - hauptsächlich bin ich aber wirklich enttäuscht darüber, dass viele in unserem Lande anscheinend immer noch nicht gemerkt haben, wohin der Hase läuft oder zumindest schon resigniert haben, anders kann ich mir die vielen Nichtwähler nicht erklären...

In vier Jahren habt ihr wieder eine Chance - und ich hoffe, dann kriegt ihr alle eure Ärsche hoch!

Trotzdem, einen schönen Tag wünsche ich euch noch...

Sonntag, 22. September 2013

Qual der Wahl... Wahl der Qual...

Oh Gott! Oh Gott! Oh Gott!

Ich komme gerade zurück von meinem Morgenspaziergang mit integriertem Wahlgang. Ich habe von meinem Bürgerrecht Gebrauch gemacht und mir wirklich die allergrößte Mühe gegeben, eine Wiederwahl der uckermarck'schen Hundebacke mit dem gebärfreudigen Becken zu verhindern. 
Allzu große Hoffnung mache ich mir da aber ehrlich gesagt nicht.

Es fing schon mit dem Erhalt des Wahlzettels an, den ich frohen und offenen Herzens in meine zierlichen Wählerhändchen nahm, um mich in einer der aufgestellten Wahlkabinen in Klausur zu begeben.
Ich entfaltete das schicksalträchtige Dokument (ist ein Wahlzettel überhaupt ein Dokument?) und war festen Willens meinen politischen Unmut in der Wahl meiner Kandidaten zum Ausdruck zu bringen.

Die etablierten Lügen- und Witzbolde hatten sich im Vorfeld ja eh schon disqualifiziert: Mit Augenwischerei und offensichtlicher Volksverarschung die Einen und auch die Anderen; mit angedrohten Verbots-Horror-Szenarien wiederum jene, die viele bisher für eine ökologische Alternative hielten und ja, dann auch die, die sich selbst Alternative nennen, denen ich sogar fast gewillt war meine Zweitstimme anzubieten, hätte ich nicht gestern - wenn auch zugebenermaßen in einem etwas konstruierten Zusammenhang - lesen müssen, dass dann meine Gliedmaßen und Innereien auch nicht mehr sicher sein würden...

Toll - und dann DIES...

Bin erstmal wieder aus der Wahlkabine gestürzt und hab die Verteiler der Stimmzettel gefragt, ob sie mir denn auch wirklich und hundertprozentig sicher das richtige Wahlformular ausgehändigt hätten, oder ob da nicht doch ein Fehler vorliegen könne, denn auf dieser Liste befände sich ja nun wirklich NICHT EINE/EINER, dem ich im Urlaub meine Goldfische zur Fütterung anvertrauen würde...

Mein Bekanntheitsgrad in Alkenrath ist heute um zwei bis fünfhundert Prozent gestiegen und sogar einige verhaltene Lacher hatte ich auf meiner Seite, während einige wenige sogar ganz beklommen auf ihre Wahlzettel starrten.

Das ist ja nicht mal die Wahl zwischen Pest oder Cholera!

Also, ich glaube beinahe, da sind welche durch die Straßen gelaufen und haben jeden Verwirrten, der es nicht schnell genug zurück in seine Steinzeithöhle oder auf den nächsten Baum geschafft hat, zu einer Kandidatur überredet, um sicher zu stellen, dass der Frau mit dem öffentlich zelebrierten Vagina-Symbol eine weitere Amtszeit garantiert wird.

Gott oh Gott oh Gott!

Wenn ich nicht Atheist wäre, könnte ich vor lauter Gram ins nächste Kloster einziehen und mich selber geißeln.
Ich mag gar nicht mehr auf den Abend warten, wenn bestätigt wird, dass eh wieder alles beim Alten bleiben wird...

Ich weiß auch gar nicht mehr, wem ich meine Stimmen letztendlich mit Todesverachtung vor die Füsse geworfen habe. Ich hab mir die Augen zugehalten und einfach irgendwohin mit dem Stift gezielt. In einem letzten Versuch, meine Wählermacht wenigstens einigermaßen sinnvoll einzusetzen, hab ich nach der Bietrinkerpartei oder der Partei der bewußtseinsvernebelten Haschischkonsumenten gesucht - vergeblich, denn denen hätte ich wenigstens mit dem kleinsten Konsenz meine Stimme  anvertrauen können...

Ich werde mich wohl gleich wieder ins Bett legen und hoffen, morgen beim Aufwachen verstorben zu sein, um nicht vier weitere Jahre aus diesem bitteren Kelch trinken zu müssen.

Okay, erst guck ich noch Formel 1, aber dann...

Was soll das Gejammer, geht schön wählen und habt wenigstens einen schönen Tag voller Hoffnung auf eine Änderung, die leider nicht eintreten wird...


Freitag, 20. September 2013

(Fast) Eine Kleinstadt-Musiker-Karriere

Die trüben Herbsttage sind angebrochen und die allgemeine, melancholische Stimmung ob des miesen Wetters läßt die Gedanken schon mal abschweifen – hinfort in andere Tage und vermeintlich bessere Zeiten.

Wenn man sich seit Wochen und Monaten durch einen Wust uralter Fotos seiner eigenen Jugendsünden und der Anderer wühlt, fällt einem schon mal so manches ein, dass im Nachhinein betrachtet vieles wieder in einem anderen Licht erscheinen lässt.

So geht es mir zumindest gerade, wenn ich mit der Entscheidung ringe, ein 26 Jahre altes Video vom letzten Auftritt meiner damaligen Band „The Fresh’n’Food Band“ ins Netz zu stellen, oder mir die Peinlichkeit lieber zu ersparen. 

Okay, letztendlich habe ich mich dann für die Veröffentlichung entschieden, schon aus Gründen der Fairness denen gegenüber, deren „Jugendsünden“ ich auch auf einer besonderen Facebook-Seite gepostet habe.

Obwohl - ich kann jede Schuld für im Laufe der Jahre erlittene Ohrenschmerzen ob meines Gesangs in verschiedenen Bands, mit ruhigem Gewissen von mir weisen. 

Den Gedanken, vielleicht ein begnadeter Rocksänger zu sein, pflanzte mir nämlich im zarten Alter von 12 Jahren mein Klassenkamerad Wolfgang Wetzel ins Ohr, als ich leise „Softly Whispering I Love You“ von The Congregation vor mich hinsingend über den Schulhof wandelte.
Wolfgang blieb plötzlich neben mir stehen und meinte „Manchmal kannst du ja doch singen, Wolf“ – er hat wohl nicht geahnt, welche Lawine er mit diesen freundlich gemeinten Worten letztendlich lostreten sollte.

Es kam, wie der geneigte Leser schon vermutet: in Null-Komma-Nix hatten Wolfgang und ich mit zwei weiteren Klassenkumpels – Ralf Stöcker und Christoph Klebsch – unsere erste Band gegründet und wir waren natürlich  voller Träume von Ruhm und Reichtum und – damals noch nicht so detailliert, weil wohl doch noch etwas zu jung – kreischenden Groupies, die uns bis in die Betten der Hotelzimmer verfolgen oder uns zumindest ihre Schlüpfer auf die Bühne werfen würden…

Haha, letztendlich bin ich froh, dass niemand auf den Gedanken kam, mit reifem oder verfaultem Obst oder Gemüse nach mir zu werfen…

Ich erinnere mich noch, wie wir voller Elan unsere Proben in der Stöcker’chen Garage absolvierten. Mit einer Akustikgitarre, in die Wolfgang ein Kassettenrecorder-Mikrophon gesteckt hatte, einer von Christoph bedienten Bontempi-Orgel und einigen vom Orchesterverein Hilgen ausgeliehenen rudimentären Schlagzeugteilen ( Ralf hat auch schon mal auf Plastikeimern getrommelt, wenn er die Ausleihe vergessen hatte…).

Und natürlich Supersänger Wolfman, dessen erster musikalischer Gehversuch ebenfalls über einen Kassettenrecorder verstärkt wurde. 

Die ersten Stücke, an denen wir uns versuchten waren „Black and White“ von Three Dog Night und „Mama, weer all crazy now“ von Slade. Später versuchten wir uns an so filigranen Stücken wie „Nights in White Satin“ oder „If you think you know how to love me“ und was weiß ich nicht noch alles. Ich glaube „Iron Man“ von Black Sabbath und „We were all wounded at Wounded Knee“ von Redbone gehörten auch kurzzeitig zu unserem Repertoire und mittlerweile probten wir bei Christoph in dessen Zimmer in Bornheim und senkten die Milchquote der benachbarten Bauern.

Diese erste Bandphase gipfelte dann in einem von Rektor Stallmach – den viele nur als brutalen Griesgram in Erinnerung haben werden – gesponsorten Auftritt anlässlich unserer eigenen Schulentlassung in einem kleinen Turnraum im Keller der Burscheider Realschule 1975. Ich hab wohl mit besonderer Inbrunst Lobos „I’d love you to want me“ zum Besten gegeben.

Naja, Schwamm drüber – danach war’s das dann auch mit meiner Musiker-Laufbahn erstmal gewesen.

Es sollten ein paar Jährchen ins Land gehen, bis ich bei einem Sommerfest im Jugendzentrum Megaphon, wo ich damals ein Praktikum begleitend zur Fachoberschule Sozialpädagogik machte, am Tonstudio vorbei lief, in dem ein jeder, der Lust und Laune hatte, sich zu einem Playback als Rockröhre versuchen konnte.

Ich weiß bis heute nicht, welcher Teufel mich an dem Tag geritten hat. Jedenfalls sah ich jemanden, der sich verzweifelt mit dem Playback zu „Satisfaction“ von den guten alten Rolling Stones abmühte und im Anschluss daran fand ich mich erstmals in meinem Leben in einem Tonstudio wieder, mit Kopfhörern auf dem Schädel, über die das Playback lief.

Wow – das war eine Erfahrung, das kann man im Nachhinein gar nicht mehr beschreiben. 

Und ich sang mir die Seele aus dem Leib, konnte sehen, wie sich vor der großen Glasscheibe des Regieraumes einige Besucher versammelten, die mir mit großen Augen zusahen, in denen ich entweder Bewunderung oder blankes Entsetzen zu erkennen glaubte.

Aus purer Eitelkeit hab ich mich natürlich für die Bewunderung entschieden, zumal ich mit dem gerade entstandenen Tape auch noch der Tagessieger im Wettbewerb wurde und mit einer gemeinsam mit Michael Nover eingespielten Version von „The House oft the Rising Sun“ auch gleich noch den zweiten Platz abräumte…

Mein erster Ruhm…

Ging ehrlich gesagt runter wie Öl.

Fühlte sich gut und richtig an. Ja, ich war der geborene Rocksänger: Groupies, Musikproduzenten zieht euch warm an, hier kommt der aufsteigende Komet der 80er…

Jedenfalls fand ich mich in der Folge tatsächlich als Mitglied einer neuen Band wieder – Peter Sobieraj am Schlagzeug, Michael Nover spielte Gitarre und sang mit mir; Hartmut Ottenberg war der Leadgitarrist, der nie auftreten wollte und Detlev Grumpelt am Bass. Sie sollten für die nächste Zeit meine Mitstreiter sein und wir firmierten unter dem Namen des (damals noch so geschriebenen) dümmsten Hundes des Wilden Westens – Rataplan war geboren.

Das war schon `ne chaotische Truppe.
Immerhin beschränkten wir uns nicht nur auf das Kopieren bekannter Titel wie „Doctor Doctor“ von UFO, sondern wir schrieben auch unsere eigenen Songs – alle in a-Moll wie wir später mal feststellten, aber egal – wir absolvierten einige Auftritte und erspielten uns einen gewissen Ruf.

Im Dezember 1980 hatte ich dann im Flur des Megaphons eine Begegnung, von der ich nicht wusste, dass sie für den Rest meiner (eingebildeten) Musikerlaufbahn prägend sein sollte. Ein rothaariger Junge trat auf einmal auf mich zu und stellte sich als Norbert Hammermann vor.

„Ich hab‘ gehört, du sollst tierisch gut singen können“, wagte er einen Versuch. Ich musterte den Kerl, hatte ihn bisher nie wahrgenommen, obwohl er auch zu den Musikern einer der damals noch zahlreichen Megaphon-Bands gehörte.

Ich brummte desinteressiert irgendetwas, war mir auch nicht ganz sicher, ob der Kerl mich nicht etwa auf den Arm nehmen sollte - aber der Junge ließ nicht locker.

„Wir suchen gerade einen neuen Sänger“, erklärte er weiter und in Laufe des Gesprächs ließ ich mich tatsächlich dazu breitschlagen, einmal eine Probe ihrer Band „Malcolm X“ in Leverkusen zu besuchen, was sich im Nachhinein als wahrer Glücksfall herausstellen sollte, lernte ich da doch auch Henrik Herzmann, unseren späteren Bassisten, kennen. 

Musikalisch kamen wir allerdings nicht zusammen, da diese Band Funk Rock machte, was mir ganz und gar  nicht lag. Also übernahm ich für einige Zeit deren Management und versorgte die Jungs mit Texten.

Bis zum berüchtigten Auftritt während des ersten Straßenfestes 1981 war ich der Sänger von Rataplan. 

Leider passierte auf diesem Gig etwas, was nicht geplant war und von Peter Sobieraj Jahrzehnte später auf Facebook mit „und da ist unser Sänger Reiner Wolf, der Sack, mitten im Gig einfach abgehauen…“ kommentiert wurde – und es stimmte.

Wir spielten uns gerade die Seele aus dem Leib und ich stand auf der Bühne und sah ins Publikum.

Und das Publikum zu mir.

Und wie mich das Publikum so ansah – und auch hier weiß ich nicht mehr, ob in ihren Blicken Entsetzen, Bewunderung oder Mitleid lag – dröhnte plötzlich die Frage durch meinen Schädel: „Was zum Geier machst du hier eigentlich?“

Der Rest ist Geschichte – ich bin mitten im Song von der Bühne gegangen und hab mir in der benachbarten Bierbude die Kante gegeben…

Für mich war’s das dann erstmal wieder mit meiner Musiker-Karriere und diesmal endgültig.

Dachte ich jedenfalls ….


Im Sommer 1981 klingelte das Telefon und Norbert Hammermann am anderen Ende erzählte mir, „Malcolm X“ würde zwar weitermachen, aber er und Henrik wollte zusätzlich eine Rockband gründen und dabei hätten sie an mich als Sänger gedacht.

Verstärkt durch Axel Thewes am Schlagzeug, der allerdings schon nach kurzer Zeit durch Christoph Leibl ersetzt wurde gründete sich so – nach Namensvorschlag von Henrik Herzmann – die „The Fresh’n’Food Band“. Ich weiß heute nicht mehr, wie wir zu diesem Namen kamen, ich glaube Henrik erklärte etwas von Frisch und klingt nach Rock’nRoll Band…

Schnell kristallisierte sich heraus, dass ich mit diesen Jungs nach Jahren der Wirrungen endlich die Musiker gefunden hatte, mit denen ich musikalisch tatsächlich mehr oder weniger auf einer Wellenlänge lag.
Es entstand eine Mischung aus Hardrock-Elementen, vermischt mit Blues und Funk, die wohl auch beim Publikum sehr gut ankam.

Der erste Auftritt fand natürlich im Megaphon statt, wo wir auch unseren Proberaum hatten – auf der für meinen Bewegungsdrang viel zu kleinen Bühne. Da blieben schon mal durch die Luft fliegende Mikrofone auf der Strecke, oder Henriks Bass erlitt einige böse Kerben, weil er von meinem herumgewirbelten Mikro getroffen wurde – damals hatten Mikrofone ja nach meterlange Kabel…

Bei der „Fresh’nFood Band“ bestand das Programm fast ausschließlich aus eigenen Songs, die zumeist von Norbert aber auch immer wieder aus Hendriks Ideenpool stammten, zu denen ich dann mehr oder weniger herzzerreissende Spät-Teenager-Texte verfasste, die ich bei heutigem Stand ehrlich gesagt nicht mehr zum Besten geben würde.

Zusammen mit „Cake Walk“ um den leider früh verstorbenen Axel Adolphs und Tommy Hahn und „Duesentrieb“ mit den Streifeneder-Brüdern und Bernd Wenzlaw und Helmut Wetzel waren wir damals – zu Beginn der 80er – in der näheren Umgebung die Abräumer.

Wir spielten in Rockerkneipen – ich weiß noch, wie war nach Ende des Gigs nur noch unsere Gagen nahmen und machten, dass wir weg kamen, weil da waren wir im falschen Milieu und ich hab mir fast in die Hosen gemacht, als während der einzigen Ballade im Programm der Oberboss – ein Kerl wie ein Schrank – mir mit blitzenden Augen zuschrie „Aber nach dem Liebesscheiß macht ihr wieder richtige Musik, oder…“ - oder auch in Kellern unter Kirchen, in halbwegs vollen Sälen und auch schon mal vor nur 20 Leuten...

Selbst die Presse war uns wohlgesonnen, wenn die Fotografen nicht gerade das Pech hatten, auf der Bühne fotografieren zu wollen, wenn ich bei „Let’s spent the night together“ nach einem fulminanten Ritt auf dem Mikrofonständer, diesen in genau die Ecke warf, in der ein Fotograf so gerade noch mit seinem Leben davon kam. „Sänger Reiner Wolf war im Umgang mit dem Mikrofonständer ekelerregend und pervers!“ konnte man Tags darauf dann in der Lokalpresse lesen – It’s only Rock’n’Roll, Mann!

Leider hatten die Mitstreiter in der Band den Makel, Einiges in der Birne zu haben, so dass schon nach 2 Jahren erste Probleme dadurch auftraten, dass drei von ihnen, nämlich Thomas, Hendriks Bruder und unser 5. Mann am Saxofon, Norbert und Christoph mit einem Medizinstudium begannen, was die Fortentwicklung der Band dann letztendlich nicht nur gewaltig hemmte, sondern dann 1987 zu ihrem – unbeabsichtigten – Ende führte.

Der auf Facebook präsentierte dreiteilige Videomitschnitt stellte dann auch das Ende der Band dar – es gab zwar gegen Ende der 1990er Jahre noch einmal einen Reunion-Versuch, der aber daran scheiterte, dass Henrik sich entschloss, die Band zu verlassen – und für mich war das dann halt der Anlass nicht weiter zu machen, denn so ambivalent mein Verhältnis zu Henrik während unserer aktiven Zeit immer war – er war in meinen Augen der Boss, der mich mit meinen abgefahrenen Ideen auch schon mal wieder mehr oder weniger resolut auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

Tja, viele der hier genannten Mitstreiter sind auch heute noch als Musiker aktiv:

Wolfgang Wetzel spielt mit „Take Six“ und „Two Man Group“ immer noch erfolgreich in unserer Umgebung.

Von Peter Sobieraj weiß ich, dass er das Schlagzeug gegen die Gitarre eingetauscht hat und mit „Mixxit“ dann und wann in unserer Nähe auf die Pauke haut.

Tommy Hahn spielt heute bei Wobuklax jährlich mehere Gigs in der Gegend.

Henrik Herzmann ist seit langen Jahren Bassist bei „Peter Lorenz & die Band“ in Leverkusen.

Christoph Leibl hat eine Praxis als Allgemeinmediziner in Viersen und sein Schlagzeug verstaubt im Keller.

Norbert Hammermann, der rothaarige Junge von 1980, ist seit mittlerweile 20 Jahren mein Zahnarzt und spielt in der Düsseldorfer Band „Soul Food Company“.

Und meine Wenigkeit?

Nachdem man mir schon mehrmals das Wasser abgedreht hatte, singe ich heutzutage nicht einmal mehr in der Badewanne.

Zwar kam nach der Wiederentdeckung unseres Videos vor einem Jahr von Henrik und Norbert die Anfrage, ob wir die alten Sachen nicht noch mal spielen wollen – aber, ich will ehrlich sein, ich traue mich nicht mehr. 
Meine alten Texte kann ich nicht mehr vertreten und ich bin zu alt, um den Mick Jagger auf der Bühne raus zu lassen. Irgendwann sollte Schluss sein – und das Erinnern an gute und lustige Zeiten mit all den Musikern genügt mir heute.

Vielleicht mal nur für uns – ohne Publikum – in einem versteckten, einsamen Proberaum, oder ein letztes Reunion-Konzert, oder…

Hör auf zu träumen, Dicker…

Sonntag, 15. September 2013

Russendisco um 2.58 Uhr

Es gibt nicht viele schönere Dinge, als entspannt in Morpheus' Armen zu liegen, sich in sein nuckeliges Kissen zu wühlen und in unendlichen Traumwelten zu versinken; dahinzuschweben einer Elfe gleich, strahlend, jung, schön - Träume machen nun mal alles möglich...

Donnergetöse im Ohr von der Lautstärke eines mittelmäßigen Gewitters, bei dem der Blitz gerade in dein Dach hineingerasselt ist und mit einem gewaltigen Wumm alles in Schutt und Asche legt...

Erschrockenes Aufschrecken; desorientiertes Umhersehen im Schlafzimmer - Suche nach der Ursache für das abrupte Erwachen an einem Sonntag Morgen um - ein schneller Blick auf den Radiowecker - 2.58 Uhr...
Guter alter Radiowecker - zuverlässig wie eh und je.

Nachdem man mit Musik in den Schlaf hinübergeglitten ist, holt er dich am nächsten Morgen mit dem aktuellen Musikprogramm deines Lieblingssenders wieder ins Leben zurück...

Moment!?!

2.58 Uhr..

Viel zu früh...

Vor allem:

SONNTAGS?

Langsames Erkennen, dass irgendetwas nicht stimmen kann.
Klar, die Lautstärke ist normalerweise um mindestens 70 Phon leiser.

Also hoch mit dem faulen Arsch in den angrenzenden Wohnbereich zum Computer, dessen Internetradio und einige kleine und nützliche Tools es mir ermöglichen, abends mit Musikklängen langsam in die Traumwelt hinüber zu gleiten. Nach einer vorbestimmten Zeit schalten sich dann das Radio und zuletzt der ganze PC langsam aus.
Irgendwas muss schief gegangen sein, denn so laut höre ich normalerweise nie Musik.

Auf einem Live-Konzert vielleicht...

Immer noch  nicht ganz wach aber mit dröhnendem Schädel vor dem Computer dann die überwältigende Erkenntnis - der Computer ist aus: Dunkel und mucksmäuschenstill - wie es denn auch sein sollte um mittlerweile 3 Uhr morgens.

Aber -

Gott verdammich!

Irgendso'n Hirni im Haus hat wohl jetzt um diese Uhrzeit die Stereoanlage voll aufgerissen...
Mein Verdacht fällt zuerst auf meine Lieblingsnachbarin, die es mit dem Begriff Zimmerlautstärke tagsüber schon mal nicht so genau nimmt.
Vorsichtig wird die Wohnungstür geöffnet und die Schallwellen aus dem Hausflur lassen meine letzten drei Haare tanzen wie in einem Wirbelsturm der Klasse 5.

Wow!

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Das kommt von UNTEN.

Na Klasse, die Wohnung unter mir. Da sind vor zwei Wochen sieben Russen in eine 2-Zimmer-Wohnung eingezogen. Von den meisten siehst du nichts, aber man hört sie - vornehmlich am Abend. Und jetzt...
Ich mache mir kurze Gedanken über meine Jugend, die damals verwendeten Musiklautstärken und über allgemeine Toleranz - aber wirklich nur kurz, denn um kurz nach 3 Uhr am Sonntag Morgen fällt mir Toleranz sehr schwer.

Also, den Bademantel gepackt und übergeworfen und - den Wohnungsschlüssel nicht vergessen mitzunehmen - auf in den Kampf.

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Ich muss mich mit aller Gewalt gegen die auf mich einprasselnden Schallwellen stemmen und die Treppe hinunterkämpfen. Vor der Wohnungstür angekommen, ein kurzes Räuspern und dann nähert sich mein rechter Zeigefinger in Zeitlupentempo dem Klingelknopf...

Mann, du weißt zwar, dass hier sieben Russen hausen - aber gesehen hast du bisher nur einen davon - und das war 'ne ganz schöne Kante... Wenn der jetzt die Tür öffnet und dir einfach eine einscheppt, brauchst du dir über die Lärmbelästigung zu nächtlicher Stunde keine weiteren Gedanken mehr zu machen...

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Ich überwinde meine Ängste und drücke - zaghaft zunächst - auf die Klingel.

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Keine Reaktion...

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Also nochmal auf den Klingelknopf drücken. Mit etwas mehr Nachdruck dann jetzt, schließlich sollen die Bewohner merken, dass ich langsam aber sicher richtig stinkig werde...

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Man ahnt es schon - keinerlei wie auch immer geartete Reaktion...

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Jetzt - kurz vor dem Ausrasten - wird mein Klingeln hektischer und fordernder. Das Klopfen mit der Faust oder gar Fußtritte an die Wohnungstür verkneife ich mir aber.

Nichts.

Gar nichts.

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Immer nur: Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...
Und dazu - wahrscheinlich russischer - Gesang zu schmetternden ewig gleichen Bassrhythmen.
Wahrscheinlich liegen die jetzt zu siebt da im Wodka-Vollrausch - haben sich die Kante gegeben und kommen nächste Woche wieder zu sich...

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Also wieder unverrichteter Dinge zurück ins eigene Schlafzimmer. Natürlich leicht gefrustet über den Misserfolg meiner mutigen Aktion.
Was nun tun?
An Schlaf ist nicht zu denken.

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Einige Minuten verharre ich wie gelähmt und bin bereit, mich in mein Schicksal zu ergeben und den Rest der Nacht abzuschreiben.

Obwohl - nein, es gibt natürlich noch eine andere Möglichkeit:

110

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Ja, 110 erscheint mir, je länger ich darüber nachdenke, die einzig logische Wahl. Wenn die Polizei die Bande wachkriegt, kann die ja auch die Prügel einstecken und ich komme zu meinem wohlverdienten Schönheitschlaf...

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Um 3.16 Uhr ist es dann soweit - 110 wird gewählt und meine Beschwerde vorgebracht - die Geräuschkulisse wird auch auf der Polizeiwache deutlich vernehmlich mitgeliefert.

Erstes Aufatmen.

Gleich ist das alles vorbei und ich werde mich wieder in Decke und Kissen auf meiner Matratze kuscheln können, um sanft dahinzugleiten...

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Die Zeit verrinnt.

Die Musik bleibt - in der gleichen Lautstärke, unerbittlich - Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Ich merke so langsam, wie mein Blutdruck sich wieder in ungeahnt hohe Gefilde aufmacht, während die Zeit verrinnt und - Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm... - versucht, mir die Birne weich zu kochen.
Ich höre andere Hausmitbewohner ebenso erfolglos an der Tür der Russen-Gang klingeln und fluchen.

Fast glaube ich zu spüren, wie meine Haut langsam ins Grüne zu wechseln droht, wie meine Adrenalinreserven in den Kreislauf gepumpt werden und der Moment der Verwandlung in den unglaublich wütenden Hulk nicht mehr weit zu sein scheint.

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Mit einem letzten Funken kaum noch vorhandener Selbstbeherrschung greife ich um 3.55 Uhr erneut zum Telefonhörer.

Mann, so viele Meuchelmörder und Vergewaltiger können doch jetzt nicht auf der Rolle sein und meine Ordnungshüter vom dem erlösenden Einsatz in unserem Haus abhalten.

Ein erneuter Anruf, bestätigt mir, dass mein vorheriger Notruf nicht als Scherz eingestuft wurde und die Kräfte der Ordnung nur überlastet sind.

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...
Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Geduld, Dicker, Geduld - Rettung naht - hoffentlich - irgendwann...

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...
Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Natürlich befindet sich keine einzige Kopfschmerztabelette in meinem Haushalt - und die Zeit verrinnt unerbittlich und Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm... droht mir den Schädel zu sprengen...

4.07 Uhr:

Endlich, das Klingeln signalisiert mir, dass das SEK Einlass ins Haus begehrt, um dem Russenterror ein verdientes Ende zu bereiten. So sehr ich seinerzeit über Wladimir Kaminers Buch gelacht habe, hier und jetzt plädiere ich vorbehaltlos für die sofortige Deportation und Ausweisung in den hintersten Zipfel Sibiriens - mal sehen ob sich Polarbären oder was sich sonst für Ungetüme da tummeln mögen, solchen Terror gefallen lassen...

Auch die Ordnungsmacht scheitert mit energischem Klingeln.
Ich höre, wie man bestimmt mit den Fäusten gegen die Türe böllert...

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...
Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...

Nichts...
Nichts...

Himmel, holt einen Rammbock und stürmt die Bude. Macht die Bande nieder - ohne Gnade. Haben die ja mit mir und den anderen Hausbewohnern, darunter kleine Kinder und alte Menschen, ja auch nicht...

Es klingelt noch mal an meiner Tür.
Ob ich denn wüsste, welcher der beiden Stromkästen zu der besagten Wohnung gehöre. Ich rate zum Abschalten der Stromversorgung beider Wohnungen, da eine eh nicht bewohnt ist.

Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...
Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbumms, tschingerassassa, bammbammbamm...
Bammbammbamm, tsching, bummsbummsbu...

Nichts mehr...

Totenstille...

Wunderherrliche, allerliebste Totenstille...

Mann, darauf die Stromversorgung einfach abzuknipsen, darauf hättest du alter Sack ja auch von alleine kommen können...

Egal!

Ruhe im Haus.

4.18 Uhr.

Ich höre noch, wie das Mobile Einsatzkommando das Haus wieder verlässt, kuschele mich in Kissen und Decke und lausche mit ehrfürchtiger Andacht hinaus in die unglaubliche Stille der Nacht...

Ich hoffe, wenigstens ihr hattet eine erholsame Nacht...

Mittwoch, 11. September 2013

Vor zwölf Jahren

11. September 2001.

Nine Eleven...

Das ist tatsächlich schon wieder zwölf Jahre her...

Ich kann mich noch ganz gut an diesen Tag erinnern

Zunächst einmal war es ein ganz normaler Arbeitstag - Frühschicht, das weiß ich noch, mit den üblichen Querelen am Arbeitsplatz. Dann bei Feierabend endlich nach Hause, in die Ruhe meiner damaligen Junggesellenbude. Erst einen Happen Essen und dann schnell unter die Dusche.

Ich stand unter der Dusche, hatte meinen favorisierten Radiosender etwas lauter gestellt, um durch das Wasserrauschen Musik hören zu können und vernahm die Meldung mehr am Rande:

"SWR 3 aktuell: In New York ist vor wenigen Minuten ein Flugzeug in einen Turm des World Trade Center geflogen. Es handelt sich vermutlich um einen Sportflieger..."

Ich weiß noch, dass ich dachte, wie verrückt die Welt schon ist und wie bekifft man wohl sein muss, um in einen Wolkenkratzer vom Format des World Trade Centers zu rauschen...

Nur ein paar Minuten später die nächste Meldung:

"Aktuell: Es wird gemeldet, dass ein weiteres Flugzeug ins World Trade Center geflogen ist. Was ist denn da los?"

Ich beendete meine Dusche ohne mir auch bei dieser zweiten Meldung etwas zu denken. Gleich sollte in einem privaten Sender eine Star Trek Folge kommen, die ich noch nicht kannte - damals sah ich tatsächlich ab und an noch fern.

Als ich den Fernseher dann einschaltete, hatte ich zunächst das Gefühl den Beginn der aktuellen Folge verpasst zu haben: Zwei Wolkenkratzer, aus denen sich Rauchwolken kräuselten. Und dann - das war ja der Hammer - ganz plötzlich stürzte einer der Türme ein.
Die Kameras schwenkten in eine entsetzte Menschenmenge auf der Flucht und endlich drangen auch die Kommentare in  mein Hirn...

Das war keine gute Action-Szene - das war real!

Im Nachhinein kann man gar nicht mehr richtig schildern, wie es mir eiskalt den Rücken hinunterlief als ich die Fernbedienung zur Hand nahm und mich durch sämtliche verfügbaren TV-Stationen zappte, in denen überall die gleichen, schrecklichen Bilder abliefen: Staub- und blutverschmierte Menschen auf der panischen Flucht vor der Trümmerwolke eines einstürzenden Hochhauses.

Und das sollte noch nicht alles sein, für die nächsten Stunden:

Niemals zuvor habe ich einen Ulrich Wickert bei einer Moderation so erschüttert gesehen. 

Oder den ungläubigen Gesichtsausdruck von George W. Bush, als ihm während einer Unterrichtsstunde in einer Schule ein Security-Mann die Meldungen aus New York ins Ohr flüsterte...

Nach anfänglicher Ratlosigkeit, zwei weiteren Anschlägen - auch einem gescheiterten auf das Weiße Haus - und dem Einsturz des zweiten Gebäudes, dämmerte so langsam aber sicher das ganze Ausmaß der Ereignisse und es wurden erste Vermutungen darüber laut, was denn überhaupt geschehen sein könnte - denn schnell war klar, dass es keine verirrten, bekifften Sportflieger gewesen waren, die in die Zwillingstürme von New York gerauscht waren.

Mit einem Mal hatte der Terror ein neues Gesicht bekommen.
Und vor allem war er erstmalig von den weit entfernten Orten, die einen vor dem Fernseher gar nicht berührten, ins - gefühlte - Herz der Welt getragen worden. Mitten hinein in eine Metropole eines Landes, dass sich so gerne vor der Welt als unbezwingbarer Weltpolizist zu präsentieren pflegte...

Seit damals hat sich nicht nur die Welt etwas verändert - die Kriege, die folgten und die Opfer auf beiden Seiten, die bis heute zu beklagen sind.
Auch unser Bewusstsein hat sich verändert - wir wissen seit dem 11. September 2001, dass wir durchaus nicht sicher sind vor den Wahnsinnigen in dieser Welt. Der Terror kann jederzeit auch zu uns getragen werden, wie zahlreiche nachfolgende, kleinere Attentate auch in Europa sehr drastisch verdeutlicht haben...

Heute ist ein Tag, an dem man sich das durchaus noch einmal in Erinnerung rufen sollte - auch und vor allem vor dem Hintergrund des ganzen Bohei, den man zur Zeit um eine Militäraktion gegen Syrien veranstaltet. Denn auch hier schwebt dieses Damoklesschwert des Terrors wieder über uns allen:

So gerecht und notwendig vielen ein Eingreifen im Nahen Osten erscheinen mag - wegsehen will ja schließlich niemand. 
Aber andererseits hat man uns auch ganz gut mit der Angst vor neuem Terror wie damals in New York in Griff...

Freitag, 6. September 2013

Braune Scheisse

Manchmal muss man statt nur zu meckern, auch vor ganz konkreten Gefahren warnen, wenn man nicht möchte, durch Untätigkeit mitzuhelfen, dass braune Elemente unser Gedankengut überschwemmen.

Als ich heute morgen wie immer mal einen Blick über die facebook-Einträge aus meinem Bekanntenkreis warf, fiel mir ein Spruch auf:

Toll, war mein allererster Gedanke.

Klar, das kann und sollte man Teilen, wenn man es wie ich eigentlich schon lange leid ist, für die Sünden der Vorväter mit einer Mea-culpa-Körperhaltung durchs Leben zu schleichen.

Ich gebe sogar zu, den Link im ersten Überschwang gar geteilt zu haben, ohne lange darüber nachzudenken, wo der wohl herkommen mag. Zum Glück gibt es andere facebook-User (Danke, Thorsten), die da schon mal etwas genauer hinschauen und dann auch so nett sind, mich auf einen Missstand hinzuweisen...

Wer sich die Mühe macht, den im Original-Thread ausgewiesenen Tommy Frenck mal anzuklicken wird hoffentlich wie ich von Entsetzen gepackt:

Eine unter dem Mantel der Kommunalwahl getarnte astreine Neo-Nazi-Seite der übelsten Sorte!

Bei allem Wahlfrust und auch Verbitterung über die devote Haltung meiner Mitbürger gegenüber den angeprangerten Erbsünden - solche Leute kann und darf man in keinster Weise unterstützen.

Mit nackten Entsetzen stelle ich fest, dass die betreffende Aussage in 22 Stunden über 240 mal geliked wurde, wie es Neudeutsch so schön heisst. Und ganze 5654 Personen haben den Spruch auch noch geteilt - ich hoffe, ohne zu wissen, was wirklich dahinter steckt.

Also, wenn euch dieser Link in den nächsten Tagen begegnen sollte - denkt bitte erstmal darüber nach, wem ihr mit einem "Like" oder der Teilung des Ganzen eure Unterstützung angedeihen lasst...

Donnerstag, 5. September 2013

Wahlk(r)ampf

Seien wir mal ehrlich:

Wenn nicht vor kurzem die Wahlbenachrichtigung in Eurem Briefkasten gewesen wäre und am letzten Sonntag Abend nicht in einmütiger Bevormundung unserer Abendgestaltung Hängebäckchen-Angie und Ich-weiß-gar-nicht-ob-ich-hier-wirklich-richtig-bin-Peer mit dem Holzhammer und gähnender Langeweile und ebensolcher Inhaltslosigkeit darauf hingewiesen hätten, wäre doch zumindest mir fast gar nicht aufgefallen, dass in wenigen Wochen gar wieder einmal eine Bundestagswahl ansteht.

Rekordeinschaltquoten für zwei griesgrämige Berufslügner, lassen sich wohl nur dadurch erklären, dass viele, die eingeschaltet hatten, in dem Glauben, eine neue Form des interaktiven Tatorts zu sehen, die Austaste an der Fernbedienung nicht betätigt haben. 

Schätze mal, so ziemlich jeder Zuschauer hat sich gewünscht, dass in der nächsten Minute ein heimtückischer Schuss aus den Kulissen ertönt und der eine oder die andere Kandidat/in mit weggeblasenem Kopf hinter sein Rednerpult rutschte - oder am besten vielleicht sogar beide.

Doppelmord im Tatort ist ja nicht so selten...

Sieger des unsäglichen TV-Abends war dann auch eine Schmuckkette, die ohne diese besondere Werbung in jedem Ein-Euro-Laden verstaubt wäre...

Mann, Mann, Mann...

In was für einem Land leben wir eigentlich?

Politiker, die sich seit Jahren als Knalltüten entpuppen und tagtäglich ihr Bestes dazu geben, diesen Eindruck zu verstärken und zu untermauern. 

Wählbar?

Ach Gott - man muss ja auch noch eine Entscheidung treffen zwischen all den Knallchargen.
Und ehrlich - die Wahl ist wirklich nur die zwischen zwei Übeln - also die berühmte Wahl zwischen Pest oder Cholera.

Ich kann mich des Gefühls wirklich nicht erwehren, dass unsere Politiker schon sehr gut wissen, dass wir ihrer eigentlich überdrüssig sind und sie nur noch mangels Alternativen auf ihren Stühlen sitzen - aber die machen sich einen Heidenspass daraus, uns tagtäglich die lange Nase zu machen.

Ätsch, euch bleibt ja gar nichts anderes übrig, als uns weiter oben zu lassen...

Laufe ich durch die Stadt, weist mich so gut wie gar nichts auf den Wahlkampf hin - hier und dort mal ein kleines Plakat; im Briefkasten statt der früher überbordenden Flut unerwünschter Wahlempfehlungen lediglich ein Flugblatt der MLPD - hatte bis dato gar nicht gewusst, dass es die noch gibt. Sollten aber eigentlich bis zur nächsten Wahl ausgestorben sein, oder glaubt wirklich noch jemand in diesem Lande an einen solchen Hirnriss wie den Marxismus / Leninismus?

Obwohl - ihr wisst, dass ich in Bezug auf die Intelligenz meiner Mitbürger eh mehr auf der skeptischen Seite angesiedelt bin. Sorry, sollte sich da jetzt jemand auf den Schlips getreten fühlen - ich kann nichts dafür. 
Sollte Intelligenz tatsächlich vererbbar sein, wendet euch in dem Fall bitte an eure Eltern und wenn man sich IQ antrainieren kann - tja, selbst schuld...

Mann, früher gingen die Politiker im Wahlkampf mit Messer und Gabel aufeinander los - da konnte man die einzelnen Politiker noch voneinander unterscheiden und die hatten in manchen Fällen sogar mal was Handfestes zu sagen.
Ich weiß noch, wie ich bei der Franz-Josef-Strauss-Kanzlerkandidatur ernsthafte Auswanderungsgedanken hegte, für den Fall, dass der tatsächlich ans Ruder gekommen wäre.

Und heute?

Schau ich tatsächlich mal als politisch interessierter Bürger ins TV, dreht sich mir der Magen um:
Wahlkampfspots, aus denen entweder die Lügen wie in einem guten alten Schmalzfilm unter dem Bildschirm heraustropfen - oder aber - als unglaubliche Alternative -, Filmchen auf Kindergartenniveau, in denen irgendwelche verwirrten Schwachköpfe noch größere Idiotien anpreisen, als es die sogenannte Politelite eh schon tut - ich hätte niemals geglaubt, dass das überhaupt möglich ist!

Quo vadis, Deutschland?

Und das Schlimmste ist ja - wenn man aus lauter Frust über das beschissene Wahlangebot gar nicht wählen geht, verhilft man den jetzigen Versagern zu vier weiteren Jahren in Positionen, die ihnen eigentlich gar nicht zustehen.
Da regt sich in mir schon manchmal der Gedanke, mich selbst hochzuputschen und eine neue Erbmonarchie auszurufen, denn - wenn wir ehrlich sind - es ginge dadurch auch niemandem besser oder schlechter als jetzt...


Ach ja, in guter Politikermanier war das ja auch schon wieder gelogen - ich offenbare da wohl ein richtiges Naturtalent.

Tatsächlich würde es einem schon bedeutend besser gehen - MIR...

Schönen Tag dann noch und viel Spaß am 22. September und in den vier Jahren danach...