Samstag, 21. Juni 2014

Wie die Zeit vergeht...

Unfassbar!

Ganz plötzlich stelle ich fest, dass beinahe geschlagene ZEHN Jahre ins Land gezogen sind - und sie kamen mir so kurzweilig vor, wie nie zuvor in meinem Leben.

Der 24. Juli 2004 ist doch noch gar nicht so lange her - der Tag, an dem die Tochter meiner Frau, begleitet von einer Tante am Kölner Flughafen eintraf, um fortan bei ihrer Mutter und ihrem deutschen Mann zu leben.

Gerade zwei Wochen später gab es den Test, ob sie schulfähig sei. Immerhin war sie im März sechs Jahre alt geworden und das erste Schuljahr würde in wenigen Wochen beginnen. Das größte Handicap von Narissara war, dass sie nur rudimentär Deutsch sprach und verstand - eben nur das, was ein sechsjähriges Mädchen innerhalb von zwei Wochen so von ihrem Stiefvater aufschnappte.

Da gab es diese slawisch-stämmige Frau auf dem Schulamt, die Wee testete und konsterniert mit sehr -wahrscheinlich- russisch angehauchtem Akzent feststellte: "Schade, das Ihre Tochter kein Deutsch sprechen kann. Das kann ich jetzt leider nicht beurteilen."
Woraufhin mir ein sarkastisches "Ach ja, Sie sind natürlich prädestiniert für diese Prüfung." ausrutschte.

Nichtsdestotrotz wurde Wee eingeschult.

Ich vergesse im Leben nicht, wie aufgeregt sie war und voller Stolz mit ihrer Schultüte zwischen die anderen Erstklässler entschwand - und ich stellte mir die ganze Zeit immer wieder die bange Frage, wie es ihr wohl ergehen würde...

Natürlich war Wee nicht auf den Kopf gefallen - und sie war ehrgeizig.

Schon von Anbeginn an, fragte sie mir Löcher in den Bauch darüber, in welchem Beruf man denn das Meiste verdienen würde und meine Erwiderung, dass ein Beruf auch zumindest ein kleines bisschen Spaß machen müsse, wurde einfach abgetan.

Wee hatte großes Glück:

Dank des Tipps einer älteren Dame in unserem Haus, meldete ich sie an der Waldschule in Schlebusch an und war am ersten Schultag voller Entsetzen, als ich feststellen musste, dass es sich hierbei um eine Montessori-Schule handelte, in der in einer Klasse Kinder aller vier Schulklassen gemeinsam unterrichtet wurden.

Es stellte sich als wirklicher Glücksfall heraus, dass Wee in dieser Schule gelandet war - dank persönlicher Sprachförderung und der Betreuung am Nachmittag, dauerte es nur wenige Wochen, bis zwischen meiner Tochter und mir eine richtige Kommunikation zustande kam - und Wee war im Schulbetrieb immer im tiefsten Getümmel, immer mittendrin, zu finden.

Ich erinnere mich noch immer mit leichter Wehmut, wie wir in den ersten Wochen Hausaufgaben per Telefon gemeinsam machten, wenn ich auf der Spätschicht war. 

Da wurde ich noch gebraucht...

Sie ging ihren Weg - konsequent und zielstrebig und sie war wohl zunächst ein kleines bisschen enttäuscht, als sie am Ende der vierten Klasse "nur" die Empfehlung für die Gesamtschule erhielt.

Im Nachhinein war auch diese Bewertung die Richtige: In den folgenden sechs Jahren arbeitete Wee sich, scheinbar mühelos, immer weiter vor.

Sorgen hatte ich zunächst, weil sie nie Schulaufgaben mit nach Hause brachte und auf eine entsprechende Frage meinerseits immer entgegnete: "Das hab ich schon in der Schule gemacht!".

Misstrauisch, wie ich nun mal bin, kontaktierte ich daraufhin zunächst einmal den Klassenlehrer, der mir bestätigte, dass Wee immer fleißig und gewissenhaft ihre Arbeiten erledigte. Und sie brachte - bis auf ganz wenige Ausnahmen - auch immer nur die besten Noten in Klassenarbeiten mit nach Hause.

Und jetzt sind schon wieder sechs Schuljahre vergangen:

Die mittlere Reife ist geschafft und auch die Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe hat Wee im Sack.

Am Montag ist Entlassungsfeier, bevor es nach den Sommerferien an die große Aufgabe "Abitur" geht...

Junge, Junge, wie doch die Zeit vergeht...

Aus dem kleinen Mädchen mit langen Zöpfen und einer fast zu großen Schultüte ist eine selbstbewusste junge Frau geworden, der man nur noch äußerlich ihren Migrationshintergrund anmerkt.

Muss ich noch extra betonen, dass ich SEHR STOLZ auf meine Tochter bin?

Was immer sie sich noch für die Zukunft vornehmen wird - sie kann sich immer darauf verlassen, dass ich verknöcherter, alter Sack hundertprozentig hinter ihr stehen werde...

Mach deinen Weg, Mädchen - mach mich weiter stolz...

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