Der Wunsch, endlich richtigen Schnee zu sehen, wurde Wee in
ihrem Ankunftsjahr 2004 tatsächlich sehr früh erfüllt. Bereits zu ihrem ersten
Martinssingen Anfang November lag richtig viel Schnee, hüllte Leverkusen in sein
weißes Kleid und die Kleine hatte tagelang ihren Spaß daran, in dem weißen Zeug
herumzutollen und später klitschnass nach Hause zu kommen.
Auch bei mir stellte sich erstmals seit langen Jahren wieder
so etwas wie ein weihnachtliches Gefühl ein.
Das letzte Mal, dass mir an Weihnachten etwas richtig Spaß
gemacht hatte, muss so zu Beginn der 80er Jahre gewesen sein, wenn sich die
ganze Clique nach der elterlichen Bescherung traf, um zu Fuß nach Altenberg in
den Dom zur Mitternachtsmesse zu wandern.
Das war immer eine feucht-fröhliche Angelegenheit und keiner
von uns ging aus Glaubensgründen dahin. Unvergessen sind mir Momente, wie im
Schweigen der Predigt plötzlich mit Donnergetöse eine leere Whiskeyflasche dem
Pfarrer vor die Füße rollte oder auch jener, als Detlef Tschanz demselben Pfarrer, der
am Ende der Messe am Ausgang seine Schäfchen verabschiedete, kräftig vor die Füße
kotzte…
Na ja, damals waren wir wohl mehr Weihnachtsanarchisten aber
zumindest hatten wir einige Jahre lang einen Heidenspaß daran…
Doch in jenem Jahr 2004 war dann plötzlich alles ganz anders:
Im Juli war Narissara, genannt Wee, die
Tochter meiner Frau Atchara aus Thailand zu uns gekommen und Mei war natürlich
ganz wild darauf, deutsche Weihnachten zu feiern.
Dazu gehörte dann auch, dass sie mit mir zum nächsten
Postamt stapfte, um einen in noch ungelenkem Deutsch verfassten Brief an das
Christkind – wohnhaft in Engelskirchen – zu versenden. Schade nur, dass der
Post nichts anderes zu dieser jährlichen Aktion einfällt, als den Kindern mit
einem dümmlichen, schlecht verhüllten Werbebrief zu antworten.
In der Nacht zu Nikolaus wurden artig die Stiefel geputzt
und vor der Kinderzimmertür aufgestellt. Wee wusste noch gar nicht, was das alles
eigentlich sollte, umso größer war die Freude, als sie diese am nächsten Morgen
mit Süßigkeiten gefüllt vorfand.
„Guck mal, Mama – Geschenke!“ erklang ihr erfreuter Ausruf.
Ich selbst hatte erstmals meinen Spaß daran in zahlreichen
Spielwarengeschäften nach Geschenken für die kleine Prinzessin zu stöbern und
zu meinem eigenen Erstaunen hatte ich sogar den mir angeborenen „Geizmodus“
ausgeschaltet, so dass dann am 24. Dezember unter dem Weihnachtsbaum so viele Päckchen
lagen, wie bei mir an allen Weihnachtsfesten zusammen nicht.
Gemeinsam mit Onkel Georg und Tante Lee gestalteten wir
unser erstes Familienweihnachtsfest.
Wee harrte den ganzen Nachmittag artig in ihrem Zimmer der
Dinge, die sie abends erwarten sollten und ab und an, wenn ich einen Blick in
ihr Zimmer warf, ertappte ich sie dabei, wie sie angestrengt aus dem Fenster in
den leise fallenden Schnee lugte und tatsächlich nach dem Weihnachtsmann
Ausschau hielt.
„Papa, kommt der Weihnachtsmann wirklich heute?“ fragte sie
mehrmals.
„Na klar“, lautete meine Antwort.
Sechsjährige Mädchen aus
Thailand würden mir diese Lüge schon verzeihen.
Nach einem schönen, thailändischen Weihnachtsmahl war es
dann soweit, dass ein Glöckchen – stillos von einer CD eingespielt – Wee ins
Wohnzimmer unter den festlichen Tannenbaum rief, wo sich neben einem Schlitten
(Schlittenfahren stand schließlich auch noch auf der großen Wunschliste meiner
Tochter) zahlreiche von Atchara liebevoll verpackte Geschenkpakete stapelten.
Unvergessen der Glanz in Wees Augen, als sie das Wohnzimmer
betrat und dann nicht richtig wusste, was sie denn nun zuerst auspacken solle.
Bald schon saß sie in einem Berg von zerrissenem Geschenkpapier und strahlte
beinahe heller als die Lichter am Baum.
Das war ein schöner Anblick, bis heute unvergessen, weil ich
schon damals wusste, der Zauber der ersten Weihnacht wird sich nicht
wiederholen.
Am Ende der Auspackorgie stand Wee vor ihren zahlreichen Geschenken,
musterte sie mit dankbarem, aber kritischen Blick, ließ den Blick dann über
Tante Lee, Onkel Georg, Atchara und mich schweifen und stemmte dann die Arme
in die Hüften und sah mich mit leichtem Vorwurf an.
„Also Papa, das mit dem Christkind war wohl doch nicht wahr…“
„Wie denn jetzt? Bist du nicht zufrieden mit deinen
Geschenken?“ Ich war leicht verdutzt und wusste nicht, worauf Wee hinauswollte.
„Doch, doch! Aber ich hab mir das alles genau angeguckt.“
Sie zeigte auf ihre Geschenke. „Aber das sind doch alles Sachen, die Tante Lee,
Onkel Georg, Mama und du gekauft haben…“
Da sagte ich dann nichts mehr – aber mir dämmerte, dass man
der Kleinen auch künftig nur sehr schwer ein X für ein U vormachen könne…
Das schöne weihnachtliche Flair des ersten Mals
verflüchtigte sich, wie schon vermutet, im nächsten Jahr.
Da ging Wee die ganze
Sache schon viel geschäftsmäßiger an. Frühzeitig lag mir der Wunschzettel vor
und eines Morgens beim Frühstück, so 14 Tage vor dem großen Ereignis, hatte sie
noch einen weiteren Wunsch auf Lager.
„Papa, ich hab doch so viele Barbies…“ wagte sie ihren
Vorstoß.
„Jo“, konnte ich nur zustimmen. „Sind das etwa noch nicht
genug?“
„Doch, Papa. Aber die haben kein Zuhause.“
Ich werde wohl nicht sehr intelligent geguckt haben und
bevor ich irgendetwas antworten konnte, legte Wee nach:
„Im Kaufhof gibt es ein großes Barbie-Puppenhaus“, setzte
sie an und ließ mir gar nicht erst die Chance auf einen Protest. „Das ist zum
halben Preis…“
So klein, aber schon geschickt mit einem riesengroßen
Zaunpfahl winken!
Listig hatte die kleine Kröte genau den richtigen Nerv
getroffen – Zum halben Preis!
Drei magische Worte, die selbst in mir eine Saite
klingen ließen. Aber ich ließ diesen Wunsch zunächst einmal offen.
Der Tag der Bescherung kam und nachdem Narissara mich noch
mehrmals – eigentlich täglich – auf die vergünstigte Kaufmöglichkeit hingewiesen
hatte, war ihr suchender Blick natürlich fast ausschließlich auf dieses
spezielle Geschenk fokussiert – das sich aber nicht unter dem Baum befand.
Mit einer gewissen Häme registrierte ich ihre leichte
Enttäuschung, obwohl sie beim Auspacken der Geschenke wieder strahlte wie im
Vorjahr.
Papa“, kam zögerlich die Frage. „Mein Haus…“
„Alles, was es an Geschenken gibt, lag unter dem Baum, Wee…“
Innerlich lachte ich mich kaputt über ihren Blick.
„Vielleicht solltest du jetzt mal alles zusammenpacken und
in deinem Zimmer etwas spielen gehen.“ Schlug ich vor.
Geknickt, begann sie ihre Sachen zusammen zu raffen und
trottete hinüber in ihr Zimmer, aus dem nur kurz darauf der glückliche
Aufschrei „Da ist ja mein Haus!“ ertönte…
Ich hatte mir nicht verkneifen können, das zwar gekaufte
Geschenk, separat mitten in ihr Zimmer zu stellen, als sie im Wohnzimmer mit
ihrer Auspackorgie beschäftigt war…
Ich wünsche Euch allen ein beschauliches, möglichst
stressfreies Weihnachtsfest im Kreise eurer Lieben und hoffe, dass in Euren
Häusern in diesen Tagen viel Freude herrscht und die Kinder Grund zum Strahlen haben.
Frohe Weihnachten!
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