Samstag, 1. Februar 2014

Mission: erfüllt



Wer beim Lesen gerne Hintergrundmusik hört, sollte sich für diesen Beitrag vielleicht passenderweise Lalo Schifrins Titelmusik der 60er-Jahre-Kultserie „Mission: Impossible“ eingedeutscht „Kobra, übernehmen Sie“ in den MP3-Player laden. Die Neuversion anlässlich des Kino-Remakes der beiden U2-Mitglieder lasse ich auch durchgehen…

Als mir im April 2009 die Kündigung überreicht wurde, war ich eigentlich noch recht guter Dinge, dass es nicht so schwer sein könne, wieder einen adäquaten Job zu finden. Schließlich war mir das in der Vergangenheit immer wieder gelungen. Bekannte nahmen es auch gelassen: „So lange wie ich dich jetzt kenne, Wolf – du fällst immer wieder auf die Füße; wie eine Katze…“. Ob es daran lag, das die Überlebenschancen einer Katze auf neunmal beschränkt sind und ich dieses Limit im Laufe meines bewegten Lebens nunmehr überschritten hatte – nach einigem Hin und Her mit Kündigung, Wiedereinstellung und nicht überraschender Wiederentlassung verrann die Zeit wie in einem Stundenglas und mehr und mehr wurde mir bewusst, dass es diesmal alles andere als einfach werden würde, eine angemessene Anstellung zu finden, mit der nicht nur mein Überleben, sondern auch das meiner Frau und Tochter gesichert werden konnte.
Zu allem kam noch hinzu, dass die Anstellung als stellvertretender Lagerleiter in einem neuen Betrieb knapp anderthalb Jahre später, durch einen Herzinfarkt während der Probezeit, ein jähes Ende fand. Ich lag gerade mal in der Klinik auf dem OP-Tisch, als mein Chef mich kontaktierte – was ich natürlich erst nach dem Eingriff feststellte – und mir – oh welche Verwunderung!- da noch in der Probezeit, schnell mal kündigte, bevor er ein gesundheitliches Wrack in seinem Betrieb weiterbeschäftigte.
Nach der Genesung hieß es also wieder, sich arbeitslos melden und wackeren Herzens ran an die Jobsuche.
Der Mut sank allerdings recht schnell, denn es ging entgegen meiner Vorstellung gar nicht aufwärts, sondern der Fahrstuhl meines Lebens schlug rigoros und ohne vorherige Rücksprache mit meinem eh schon angeknacksten Ego eine unaufhaltsame Talfahrt ein – bis hinab in den Status eines Hartz-IV-Empfängers. Genau der Status, den ich mir mein ganzes Leben schon immer gewünscht hatte…
Nachdem ich im Arbeitsamt schon mehrmals nach der Möglichkeit einer Qualifizierung gefragt hatte und nur verneinendes Kopfschütteln erntete, dämmerte mir, dass ich meine zukünftigen Ansprüche an eine neue Stelle gehörig zurückschrauben musste: Zum Lagerleiter oder in anderen Führungspositionen trotz langjähriger Berufserfahrung nicht qualifiziert genug und für eine Anstellung als gemeiner Lagermitarbeiter eben ob dieser Erfahrungen angeblich überqualifiziert.
Da stand ich nun, ich armer Tor….
Im August 2012 kam mein Arbeitsberater dann tatsächlich auf den glorreichen Gedanken, mich zu einer Weiterbildungsmesse zu beordern, mit dem Auftrag, mich über die Möglichkeiten einer Qualifizierung zu informieren. Ich schluckte die Frage, warum es auf einmal doch möglich war, eine solche Maßnahme ins Auge zu fassen, herunter und tat wie mir geheißen und tatsächlich konnte ich mich für die Qualifizierung zur Fachkraft für Lagerlogistik erwärmen, hoffte ich doch, dass sich meine Arbeitsmarktchancen dann verbessern würden.
Doch zunächst musste ich erst einmal in Bergisch Gladbach einen Idiotentest absolvieren, in dem geklärt werden sollte, ob ich in meinem Alter (also wirklich! Wer ist denn hier alt?) überhaupt noch aufnahmefähig genug sei, um eine Schule zu über- und natürlich auch zu bestehen. Es war ein Test, wie ich ihn noch aus den 70er Jahren kannte, als ich mal aus Jux und Tollerei meinen IQ ermitteln ließ (IQ war vorhanden!). Laut meinem Arbeitsberater bestand ich auch diese Hürde „überdurchschnittlich gut“ – was immer das auch heißen mag und meiner Teilnahme an einer gewerblich-technischen Qualifizierungsmaßnahme stand nichts mehr im Weg.
Ich nahm vier Angebote in Köln unter die Lupe und entschied mich für die – vermeintlich – seriöseste Schule…

UND PACKTE NATÜRLICH GLEICH WIEDER IN DIE SCHEISSE!
Pünktlich zu meinem Geburtstag im Februar 2013 schenkte ich mir die Umschulung und begab mich frohen Mutes an meine Ausbildungsstätte, in der ich bis zum August fleißig zu lernen gewillt war. Eine Dame nahm mich in Empfang, pferchte mich in ein Zimmer mit 4 Damen, die sich zur Bürokauffrau qualifizieren wollten, ermöglichte mir das Login in meinem persönlichen Computer, drückte mir ein Fachbuch „Logistische Prozesse“ in die Hand und…
… und dann saß ich da.
Mehrere Wochen lang und auf Nachfrage, wann denn endlich mal ein Unterricht in meiner Berufsgruppe stattfinden würde, gab es von Seiten des Institutsleiters immer nur Gebrabbel und Vertröstungen auf später, weil die entsprechenden Umschüler zur Zeit im Praktikum seien und so verrann wieder die Zeit, in der ich ein Fachbuch nach dem anderen durcharbeitete – bis Ende April.
Da gab es plötzlich ein Rundschreiben der Institutsleitung, in der unsere Pflicht die Anwesenheit zu dokumentieren thematisiert wurde. Okay, da hatte man schon recht. Es war üblich, dass einige um 10 Uhr kamen und um 12 Uhr wieder gingen und sich für die gesamte Zeit von 8 Uhr bis 16.30 Uhr als anwesend eintrugen.
Aber der Rebell Wolf hatte plötzlich ein rotes Tuch vor Augen.
Die Teilnehmer hatten nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte.
Also stand der kleine Dicke am folgenden Montagmorgen vor dem Institutsleiter und wies ihn freundlich aber bestimmt darauf hin, dass Pflichten auch Rechte beinhalteten und neben unserer Anwesenheitspflicht hätten wir ja wohl auch ein Recht – das Arbeitsamt zahlte schließlich nicht gerade wenig Geld hierfür – auf eine Unterrichtung. Hauptsächlich dachte ich da an Kollegen, die nicht über meine weitläufige Berufserfahrung verfügten und vor allem nicht die Selbstdisziplin besaßen, sich selbst ernsthaft mit der Fachliteratur zu befassen und stattdessen halt den PC-Zugang zum daddeln in verschiedenen Foren nutzten. (Ich hab auch bei der letzten praktischen Prüfung keinen von denen getroffen, was heißt, dass sie den schriftlichen Teil schon nicht bestanden hatten).
Der Institutsleiter bekam einen roten Kopf, stammelte wieder wirres Zeug und versprach mir unter anderem, sich umgehend darum zu kümmern und er würde am Nachmittag zu mir raufkommen. Das war am ersten Montag im Mai 2013 und bis zum meinem Fortgang am 6. August desselben Jahres sollte ich diesen Mann nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Immerhin fanden in der Folge wenigstens einmal wöchentlich Workshops statt, in denen etwas Wissen vermittelt wurde.
Zur schriftlichen Prüfung ging ich mit gutem Gewissen, denn dank eines Dozenten (Vielen Dank, Herr Heuser!), der mir die offiziellen Prüfungen der letzten Jahre zukommen ließ, hatte ich in den letzten Wochen zahlreiche Tests gemacht und alle samt und sonders bestanden, was mir dann auch im realen Prüfverfahren gelang, wenn auch nicht so gut, wie ich mir selbst erhofft hatte. Aber letzten Endes sagte ich mir, dass das Bestehen egal mit welcher Note das Ziel sein sollte.
Dementsprechend locker ging ich dann am letzten Donnerstag auch zur praktischen Prüfung, wohl wissend, dass mir hier meine weitläufigen Berufserfahrungen eine große Hilfe sein würden.
Sein sollten…
Als ich zur ersten von zwei Prüfungsaufgaben eine Inventur durchführen sollte, wollte ich mich schon wieder gönnerhaft zurücklehnen – aber dann kam als kleines Extra noch die kaufmännische Auswertung derselben hinzu; mit Hilfe von Excel-Tabellen und entsprechenden Formeln, die ich nicht beherrschte – im Institut wurden solche Kurse zwar für die Kaufleute angeboten, aber niemand war jemals auf den Gedanken gekommen, mich oder meine Kollegen darauf hinzuweisen, dass Fachkraft für Lagerlogistik im Gegensatz zum Fachlageristen ein kaufmännischer Beruf ist.
Auf jeden Fall fiel mir da tatsächlich beinahe ein Ei aus der Hose, denn in den 55 mir zur Verfügung stehenden Minuten, war das auf kommerziellem Weg nicht zu schaffen und dementsprechend erzielte ich in dieser Aufgabe ein mehr als mieses Ergebnis. Mit den Worten „Das reicht wahrscheinlich nicht“ wurde ich, nunmehr schon fast mutlos, zur zweiten Aufgabe geschickt.
Ich schlug drei Kreuze, dass hier eine Tourenplanung, die Beladung eines LKW und die entsprechenden Sicherungsmaßnahmen gefordert wurden. Hatte ich im ersten Teil viel zu wenig Zeit, war ich hier inklusive Fachgespräch nach wenig mehr als der Hälfte der Zeit fertig und fuhr 95 von 100 Punkten ein, die mir letztendlich den Arsch retteten.
Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass mir mehr als nur ein Stein von meiner eh schon leidgeplagten Pumpe fiel, als ich eine halbe Stunde später meine Prüfungsbescheinigung – wenn auch nur mit der Gesamtnote befriedigend – in Händen hielt. Aber wie ich schon mal sagte, das Ziel war zu bestehen – so gut wie möglich, aber halt zu bestehen.
In dem Sinne: Mission ERFÜLLT.
Bleibt nur zu hoffen, dass diese Bemühungen meinerseits jetzt auch von potentiellen Arbeitgebern honoriert werden. Ich weiß, dass ich durch ehrliche Arbeit niemals reich werde, aber ich möchte doch genug für meine Tätigkeit bekommen, dass meine Familie und ich zukünftig ohne staatliche Almosen und die Verachtung einiger Mitmenschen durch das Leben gehen können.
Ein schönes Wochenende wünsche ich euch allen – und wenn von euch auch welche gerade nicht auf dem Siegerpfad wandeln: Aufgeben und Däumchen drehen ist der falsche Weg!

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