Montag, 28. Oktober 2013

Still crazy after all these years

Zum zweiten Mal hatte mein guter Freund Blacky am letzten Samstag zum Facebook-Treffen ins Burscheider Jugendzentrum Megaphon eingeladen. Den großen Erfolg des letzten Jahres und vor allem den Spaß an der Begegnung mit erwarteten und unerwarteten Begegnungen mit Menschen aus einer Zeit, die für uns selbst manchmal schon ganz tief unten im Nebel der Erinnerung abgetaucht ist, wollten wir wiederholen.

Ob ihm das gelungen ist, möchte ich nicht bewerten, zumal ich mich ganz bewusst in die ruhigere Zone der Kneipe zurückgezogen hatte, wo ich mir mit Thekendienst wie in alten Zeiten endlich mal wieder zumindest für einige wenige Stunden ein sinnvolles Betätigungsfeld erschließen konnte.

Doch am wichtigsten waren mir die im Vorfeld teilweise lange geplanten Treffen mit Menschen, die ich im Laufe einer langen Mitarbeit im Hause wenn auch nicht immer lieb gewonnen hatte, zu denen sich aber eine manchmal ganz eigene Beziehung entwickelt hatte.

Da war zum einen meine langjährige Kollegin Irene, aus den Tagen nach dem Umbau des Gebäudes von einem teilweise genutzten Haus in ein komplettes Jugendzentrum, das zumindest Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre im näheren und weiteren Umfeld nicht seinesgleichen hatte.

Wir waren nie die besten Freunde und ich glaube - nein ich weiß sogar - dass sie auch ganz schön unter mir zu leiden hatte. Nicht etwa, weil ich ihr ein Vorgesetzter gewesen wäre, sondern ganz einfach deshalb, weil ich schon damals ein kleines, despotisches Arschloch war; das - wenn man den Fehler beging ihm irgendwelche Verantwortung zu übertragen - ein mehr als unerträglicher Zeitgenosse sein konnte, wenn man nicht bereit war nach seiner Pfeife zu tanzen.

Besser und vor allem nicht nur kollegial, sondern auch fast freundschaftlich wurde unser Verhältnis erst zum Ende meiner Zeit, als ich lediglich als ehrenamtliche Teilzeitkraft im Haus beschäftigt war.

Und dennoch war ich richtig überrascht, als ich vor einigen Monaten aus einer Laune heraus nach 25 Jahren einfach bei ihr anrief, um sie zu dieser Party einzuladen. Statt erschrocken den Telefonanschluss aufzukündigen und sich in ferne Lande zu flüchten, nahm sie die Einladung mit Freuden an und viele ihrer früheren Schützlinge nutzten die Gelegenheit, sich mit ihr, wie in alten Tagen, auszutauschen.

Facebook ist eine Plattform, zu der mich eine gewisse Hassliebe verbindet - an einem Tag überwiegt die Abscheu, dann wieder kann ich mich begeistert in lange Diskussionen mit Fremden oder per PN mit alten, wiedergefundenen Freunden und Bekannten verlieren.

Edith war eines dieser Mädchen aus meinen Jugendtagen, die auf einmal in unserer Clique mitmischten - und ich kann mich nicht mehr erinnern, wo so manche Person herkam - um dann nach mehr oder weniger intensiven Zusammenlebens einfach wieder so mir nichts dir nichts von meinem Radar zu verschwinden. 
Bis dann auf einmal eine zaghafte Freundschaftsanfrage kam, die nach kurzem Überlegen eine ganze Menge sehr schöner Erinnerungen aus dem Dunkel der Vergangenheit ans Licht zurückholte...

Sie war, wenn ich mich heute zurückerinnere, zu damaligen Zeiten kein Fan von mir und dennoch entwickelte sich nach all den Jahren ein reger, zunächst schriftlicher Gedankenaustausch, aus dem wir beide ersehen konnten, dass wir die damaligen Zeiten wirklich sehr genossen haben.

Und was da nicht alles so auf den Tisch kam: Unsere abendlichen Treffen am berühmten Bäumchen in einer Nebenstraße, wo man sich gerne mal ein kleineres oder auch größeres Tütchen oder Pfeifchen in die Mütze haute. 
Ich kann mich noch wirklich gut daran erinnern, wie wir da mal eng zusammengepfercht in einem Wagen inmitten einer gigantischen, wohlriechenden Wolke vor uns hinträumten und plötzlich jemand ans Fahrerfenster klopfte.

Beim Herunterkurbeln entwich eine nicht unbeträchtliche Menge der guten Luft und durch die Nebelwand kämpfte sich ein Kopf mit einer grünen Schirmmütze ins Wageninnere und denen von uns, die noch zwei bis drei klare Gedanken fassen konnten, rutschte natürlich - so plötzlich vis-a-vis mit dem strengen Auge des Gesetzes - ganz fürchterlich das Herz in die Hose:

Der bohrende Blick des Polizisten durchdrang irgendwie die Rauchwolke, sah einen nach dem anderen von uns an, tat ein, zwei - vielleicht auch drei - tiefe Züge von dem gerade noch für Menschen verträglichen Atemluftgemisch und rang sich ein Lächeln ab.
"Na, Jungs", erklangen seine Worte aus dem Nebel, "scheint so, als wäre nur Fliegen schöner..."

Sprach's und verschwand.

Keine Handschellen, keine peinliche Verhaftung - der Kelch ging an uns vorüber...

Es gab dann noch einige Diskussionen unter uns darüber, ob wir nun alle eine gemeinsame Halluzination erlebt hatten, denn konnte es sein, dass ein "Bulle" so auf die Situation reagierte...?

Ist euch auch schon mal aufgefallen, dass man sich nach vielen, vielen Jahren zumeist nur noch an die guten Dinge erinnert und das meiste Schlechte einfach wie einen blinden Fleck in der Erinnerung rigoros ausblendet?

Wie dem auch sei - Edith (zum Schutz dieser Dame habe ich ihren und die Namen einiger anderer Personen geändert - ich kann mir keine Klagewelle leisten...) gehörte damals zu einem Trio von jungen Mädchen aus Lützenkirchen - eine hübscher als die andere - um die wir in unserer Clique (zumeist männlichen Geschlechts) wahre Balzorgien starteten. 

Daniela war bei ihnen meine persönliche Favoritin.

Man, es war nicht das erste Mal, dass ich mich - natürlich - unsterblich in jemanden verliebt hatte und mich in der Folge dann auch ganz schön zum Affen machte. Aber es war schon richtig heftig und ließ mich eine Zeit lang zu Hochform auflaufen - aber letzten Endes sollte diese Romanze, wie leider viel zu oft, nicht mit einem Happy End für mich enden.

Danielas Polterabend einige Jahre später war einer der bis dahin schwärzesten Tage meines Lebens und an diesem Abend fiel ich in ein sehr tiefes Loch, aus dem ich glaubte, nie wieder hervor kriechen zu können. Aber das Leben hatte natürlich noch viele weitere Gemeinheiten mit mir vor und war nicht gewillt, mich aus seinen unerbittlichen Klauen zu entlassen.

Dabei gab ich mir spätestens nach einem ersten Herzinfarkt kurz vor meinem 30. Geburtstag redliche Mühe, mein Verbleiben in den Niederungen des Lebens so kurz - aber dafür so intensiv - wie nur irgend möglich zu gestalten. Immerhin war ich felsenfest davon überzeugt, die magische Grenze von 40 Lebensjahren nie und nimmer zu erreichen.

Na ja, ihr ahnt es schon:

Das Leben machte mir natürlich wie immer eine lange Nase und im Gegensatz zu einigen guten Freunden, denen ich ein längeres Verweilen auf diesem Planeten - nicht aus Häme! - von ganzem Herzen gewünscht hätte, stehe ich hier und heute vor der bitteren Erkenntnis, demnächst die unheimliche Marke der 60er überschreiten zu können, dürfen ... müssen...

Und dann trifft man einige der Überlebenden eben auf einer solchen Party wieder und versinkt in einem unendlichen Meer von Erinnerungen.

Da kam Michael, einer von den Jugendlichen, mit denen wir in den Anfangsjahren des Megaphons Samstags abends, wenn Schluss war, gemeinsam als Reintour AG - getreu dem Motto: "Hier rein - da rein" - ins damals noch richtig weit entfernte Opladen und da durch die Kneipen zogen.

Die Busverbindungen waren damals noch mehr als spärlich und uns war immer klar, dass diese Ausflüge zwangsläufig bis zum nächsten späten Morgen dauern würden, da man nicht mehr weg kam, wenn sich nicht einer von uns erbarmte und dem Alkohol entsagte, um den Fahrer zu spielen.

Wie oft landeten wir dann in der Nacht im alten Busbahnhof, der einen Kiosk hatte, der bis 4 oder 5 Uhr morgens geöffnet hatte und in dem sich zu später Stunde durchaus eine illustre Gesellschaft einfand: Damen und Herren in nobler Abendgarderobe ebenso wie Damen in "Arbeitskleidung"; der Strohmer, dem es draußen zu kalt war ebenso wie eben unsere Horde junger Leute, die das Leben in vollen Zügen genießen wollten...

Die - vermeintlich - guten, alten Zeiten...

Und dann erzählt mir Daniela im Verlauf eines Gesprächs, in dem es eigentlich um diesen Blog ging, dass sie schon immer wusste, dass ich schreiben könne und sie habe immer noch einen Ordner voll...

Ja, ich habe damals Liebesbriefe und Gedichte geschrieben!

Und am Samstag war ich mir erst nicht sicher, ob mir das peinlich sein sollte oder nicht und ich glaube für einen klitzekleinen Moment muss meine Gesichtsfarbe von ganz bleich zu knallrot changiert sein - aber, es ist ein nicht unbedeutender Teil meiner Jugend!

Also ja, ich war ein Weichei! Und bin es wohl auch heute noch... (Bitte nicht weitersagen!)

Und es hat auch Freunde gegeben, die damals gerne in ähnlicher Mission auf diese, meine Talente zurückgegriffen haben. Es gibt also durchaus die eine andere Dame in der großen weiten Welt, die von ihren damaligen Verehrern glühende Liebesbriefe (aber aus meiner Feder) erhalten hat...

Auch viel Spaß hatte ich mit einer meiner neueren Bekanntschaften, die nach übermässigem Betrachten alter Jugendbilder von mir, dem Glauben verfallen ist, ich sei früher mal - ich trau mich kaum, es selbst auszusprechen - "sexy" gewesen.

Da hab ich mir in meinem bitteren Jugendtagen aber ganz andere Sachen anhören müssen: Arschloch war noch die häufigste Charaktereigenschaft, die man mit mir verband und die Mädchen sahen in mir, wie ich irgendwann mal mit Entsetzen feststellen musste, zumeist nur den großen Bruder, der ihnen nicht vergönnt war oder aber den gutmütigen Kerl, der sich mit einer gewissen Geduld ihrer Problemchen annahm und so manchen abstrusen Rat erteilte, den er selbst niemals auch nur ansatzweise befolgt hätte...

Ach Gott, seit Samstag schwirrt mir so manche weitere Begebenheit durch den Kopf.

Aber das jetzt alles hier niederschreiben würde den Rahmen dieses Blogs sprengen und mir auch nachträglich so manche Klage oder zumindest das ein oder andere blaue Auge einbringen.
Also lehne ich mich lieber im Stuhl zurück und genieße diese Momente egoistischerweise ganz still und nur für mich...

Einen schönen Tag wünsche ich Euch!

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