Freitag, 19. Juli 2013

Leben im Hartz-IV-Überfluss

Es ist Sommer und natürlich brauchen Journalisten wieder was zum Schreiben. Irgendwas. Kann auch ein Thema sein, das man letztes Jahr und das Jahr davor und eventuell auch das Jahr oder die Jahre davor schon durchgenudelt hat. Es reicht allemal für einen kollektiven Aufschrei der Entrüstung, der dann auch schon am nächsten oder spätestens übernächsten Tag wieder mehr oder weniger ungehört verhallt ist.

Soweit ja okay

Und eine Auswirkung des Sommerlochs kann auch nur die gestrige Meldung sein, dass irgendein Sesselfurzer aus dem Bundesamt für Arbeit in Pinneberg die glorreiche Idee hatte, dem ewigen Gejammer dieser schmarotzenden Hartz-IV-Empfänger-Brut, einmal klipp und klar aufzuzeigen, wo sich doch ein unermessliches Feld mit Möglichkeiten zur sparsamen Haushaltsführung auftue...

Hat McDonalds mit seinen Mitarbeitern wohl die Tage auch gemacht...

Und der geneigte Leser sagt sich vielleicht sogar zu Recht, "Ach wie langweilig"...
Nur diejenigen, die es betrifft, nämlich die vielen Millionen Wenigverdiener im Land, die von Industrie und Wirtschaft gnadenlos ausgenutzt und vorne und hinten betrogen werden, die können darüber überhaupt nicht lachen. Die ebenfalls millionenfach vertretenen Empfänger von Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem allseits beliebten Hartz IV kommen natürlich auch noch dazu.
Und ich wette mal, dass nicht nur meine kleine, zierliche Hand sich im ersten Zorn willkürlich zur Faust ballte, die den kaum noch zu bändigenden Drang verspürte, in die Fresse des Verfassers solcher idiotischen Ratgeber zu schlagen.

Keine Angst - ich bin nicht brutal. 

Eher zählt man mich zur Sorte der Hunde, die da bellen aber zumeist nicht beißen.
Richtig auf die Palme bringen mich dann aber Kommentare von Menschen, die bisher - zu ihrem Glück - noch nie im Leben irgendeinen Mangel an Irgendetwas hatten und sich dann erdreisten, den Ärmsten der Armen vorzuhalten, sie könnten nur nicht mit ihrem (ausreichend vorhandenen?) Geld umgehen.

Der freundlichste Vorschlag für diese Personen ist noch, ihnen mal nahezulegen, sich einmal nur für einen Monat lang den Beschränkungen eines Hartz-IV-Regelsatzes zu unterwerfen. Und dann möchte ich ehrlich gesagt daneben stehen und sehen, wie sich schon zwei oder drei Tage nach Zahlungseingang erste Panik darüber breitzumachen droht, wie man bis zum nächsten Letzten (Zahltag) überleben soll. 

Denn Erkenntnis Nummer eins wird sein "Am Ende des Geldes bleibt erschreckend viel Monat übrig"!

382 Euro hören sich vielleicht auf den ersten Blick viel an - wenn man damit nur seine monatlichen Vergnügungen wie Kino, Kneipe oder Disco abzudecken hätte. 
Aber nein, es wird doch tatsächlich verlangt, dass hiervon der Strom bezahlt wird. Lebensmittel sind auch angesagt - und auch hier wird schnell klar, dass der Kaviar als erstes von der Einkaufsliste gestrichen werden muss. 
Mein täglich Stück Fleisch: mit Hängen und Würgen machbar, wenn man an anderer Stelle spart. Eine Fahrkarte für die Öffentlichen Verkehrsmittel gehört auch zu den dringlichen Dingen auf der Liste, denn das heißgeliebte Auto (egal wie klein oder groß) bleibt bei jedem nach wenigen Wochen oder Monaten auf der Strecke - Geld für Sprit? Versicherung und Steuern, jederzeit, wenn man dann auf's Essen verzichtet.

Für Damen wird es besonders grausam, wenn man auf einem Shopping-Trip dieses süße T-Shirt von Lakotz oder von-wem-auch-immer für NUR 40 Euro sieht und feststellen muss, dass man für die Kaufsumme alleine eine Woche lang leben könnte (sogar mir Fleisch, wenn's nicht gerade ein freilebendes, besonders glückliches argentinisches Edelmastrindersteak sein soll).

Kleidung kaufen an sich wird schon zum Problem, denn was ich hierfür ausgebe, fehlt mir irgendwo und irgendwann für Lebensmittel. Geht mal eines meiner geliebten Hightech-Geräte (Fernseher, Spülmaschine oder Waschmaschine) kaputt, steht man vor einem unüberwindlichen Problem...


Das sind nur einige wenige Beispiele aus einem Leben im Hartz-IV-Überfluss, wie es wirklich ist, wenn alles glattgeht und vor allem nur für eine einzelne Person - richtig spaßig wird es dann, wenn Frau / Lebenspartner und Kinder mit ins Spiel kommen. 

Und den Leuten, die den Hartz-IV-Empfängern mangelnden Umgang mit Geld unterstellen wollen, empfehle ich dringendst zwei Dinge: Zum einen natürlich, den oben angerissenen Selbstversuch und / oder stattdessen ganz einfach die Klappe zu halten und froh darüber zu sein, dass sie nicht in dieser Scheißlage sind, in die zu kommen sich wahrscheinlich jeder Betroffene schon seit seiner Kindheit gewünscht hat...

1 Kommentar:

  1. Das Leben ist wie eine Seifenblaße, doch wenn sie zerbricht merkst du, dass das Leben doch nicht liebesrot sondern robotergrau ist.

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