Sonntag, 28. Juli 2013

Angriff der Porno-Viren

In einem Land zu einer sehr bekannten Zeit:

Die finstere Gestalt erhob sich aus ihrem Chefsessel vor dem Computerterminal. 
Hätte diese furchtbare schwarze Vollmaske nicht sein Gesicht verdeckt, hätte man sein sardonisches Lächeln sehen können, den wollüstigen Schimmer in seinen Augen...
Er strich sich über das bodenlange, schwarze Gewand, das sogar die Spitzen seiner Stiefel bedeckte und dem Betrachter den Eindruck vermittelte, er würde gespensterhaft über dem Boden schweben. 
Ein letzter Blick auf den Monitor, um zu sehen, dass seine schreckliche Virenarmee bereit war, sich auf das ahnungslose Opfer zu stürzen und im unbedachtesten Moment den größtmöglichen Schaden anzurichten...
Man hörte seine asthmatisch rasselnden Atemzüge, als er seine Angriffszentrale verließ, um sich - bar seiner Kampfverkleidung - der eingelullten Welt wieder als harmloser Weltpolitiker zu präsentieren...

Teil 1

Da der Protagonist dieser Erzählung gerne androgyn bleiben würde, nennen wir ihn in der Folge einfach Harry H..

Eben dieser Harry H. war an jenem Samstagmorgen früh aufgestanden, um vor der zur Zeit vorherrschenden Hitze, die seine kleine Junggesellen-Dachwohnung wie einen Hähnchengrill zu erhitzen pflegte, die dringend notwendige Reinigung der Räumlichkeiten vorzunehmen und vor allem wollte er, bevor die Sonne ihn wieder zu garen versuchen würde, seine wöchentlichen, kärglichen Einkäufe beim örtlichen Discounter hinter sich bringen.

Er konnte ja nicht ahnen, dass in den unendlichen Weiten des weltweiten Netzes an diesem Tag das wahrhaftige Grauen seiner harren würde und zu gegebener Stunde gnadenlos über ihn herfallen würde.

Nachdem all diese dringlichen Aufgaben erledigt waren, kam Harry H. auf den Gedanken, wie jeden Morgen, im Internet nachzusehen, was denn die unzählige Schar seiner virtuellen Freunde so trieb. 
Lange schon hatte er nicht mehr so viele soziale Kontakte gepflegt, wie jetzt, wo das weltweite Netz die Welt zu einem Stecknadelkopf zusammenschrumpfen ließ und man sich Freunde einsammeln konnte, ohne dazu die heimeligen vier Wände seiner Behausung verlassen zu müssen, geschweige denn, diesen Freunden gar leibhaftig entgegenzutreten...

Hätte er nur geahnt, was an diesem Tage auf ihn einstürzen würde, er hätte sich wieder wie lange Jahre zuvor in seinen authistischen Kokon eingesponnen und der Welt den Rücken gekehrt.

So aber war er sogar stolz darauf, in einem eigenen Blog in regelmäßigen Abständen Hohn und Spott sowie seine abgrundtiefe Verachtung über die Großen und Wichtigen dieser Welt auszuschütten...

Zwischenspiel 1

Sie lauerten geduldig in den unendlichen Weiten des weltweiten Netzes. Gierig und blutrünstig darauf bedacht, endlich zuzuschlagen und ihr ahnungsloses Opfer an den Rande des Wahnsinns und gar darüber hinaus zu treiben...
Gleich, gleich - endlich würde er den verhängnisvollen, unbedachten Klick tätigen, der ihre Fesseln lösen und sie in ihrer abartigen Bosheit freisetzen würde. 
Bald. 
Nicht mehr lange. 
Bald!

Teil 2

Harry H. surfte mit wachsendem Vergnügen durch die unendlichen Welten des Internet. Kabbelte sich hier und da mit dem Einen oder der Anderen und hatte - wie immer - einen heidnischen Spaß daran, mit Gift und Galle um sich zu spucken.

Und da war er, der unscheinbare Beitrag eines Mitglieds einer seiner Lieblingsgruppen, der ihm zwar im ersten Moment etwas seltsam vorkam, aber eigentlich, da auf einer seiner seriösen Lieblingsseiten gepostet, harmlos sein musste.

Und es gibt kein größeres menschliches Manko als die Neugier - und noch bevor er selbst sich dessen bewusst war (vielleicht ging von dem Link auch ein hypnotischer Einfluss aus, er hatte schon mal so was gelesen) wurde der Klick getätigt und...

... nichts geschah....

Scheinbar.

Das Verhängnis nahm seinen Lauf...

Zwischenspiel 2

Endlich!
Das erlösende Signal!
Das Horn zur gnadenlosen Attacke!
Nicht etwa mit lautem Gebrüll - nein perfide lautlos stürmten die kleinen Viren vor, um ihre verruchte und unheilbringende Pornobotschaft endlich in die millionenfachen Datenstränge des Internets zu verströmen. 
Dass diese Attacke den kleinen Schweinedingern ein höllisches Vergnügen nahe des menschlichen Orgasmus bereitete, hätte ein Betrachter - so er denn in der Lage gewesen wäre in mikroskopische Tiefen hinabblicken zu können - daran sehen können, dass sie beim Vorwärtssturm andauernd den Stinkefinger zeigten; dem unsichtbaren Betrachter ihre hässlichen violetten Zungen herausstrecken. 
Einige waren gar so dreist hin und wieder in einem Anfall von Übermut ihr blankes Hinterteil zu zeigen...

Teil 3

Es dauerte nur zwei, vielleicht drei Minuten bevor Harry H. mit Entsetzen feststellen musste, dass im Netz auf einmal ein Link in seinem Namen gepostet wurde, in dem Anstößigkeiten mit Minderjährigen angepriesen wurden.

Eiswasser lief plötzlich statt Blut durch seine Adern, ließ ihn für einen Sekundenbruchteil in namenlosem Schrecken verharren.

"Oh, Scheiße", war der erste klare, wenn auch nicht sehr geistreiche Gedanke, der ihn wieder in die schreckliche Wirklichkeit riss. 

Was geschah hier? 

Wer spielte sein perfides Spiel mit ihm, versuchte ihn rufmordend in die Ecke der Kinderschänder zu drängen - dabei war Harry H. nachweislich nicht einmal katholisch und der allseits bekannten Kinderschänderreligion gehörte er ebenfalls nicht an; er hegte auch keinerlei Sympathie für sie.

Schnell die Faust auf die Löschtaste!

Zu spät!

Schon kamen die ersten empörten PNs seiner virtuellen Gefolgschaft; die Schamesröte trieb ihm ins Gesicht. Der teuflische Link verbreitete sich auf die nächste Seite, auf eine weitere - so schnell, dass Harry H. mit dem Betätigen der Löschtaste gar nicht mehr nachkommen konnte.

Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er die Leiden des Don Quichote nachempfinden, der dereinst im Fieberwahn - oder war es Vollsuff oder doch nur Alterssenilität? - verzweifelt versuchte gegen Drachen zu kämpfen, die sich bei näherer Betrachtung, wäre er nur klar im Kopf gewesen, als Windmühlen entpuppten.

Zwischenspiel 3

Phase eins des teuflischen Unternehmens war gelungen und der Ruf des unerschütterlichen Mahners gegen die Willkür der Mächtigen in der Welt mit dem ersten nicht zu übersehenden Schandmal der Pädophilie geschändet.
Die ersten verzweifelten und dilettantischen Abwehrversuche des Opfers lösten bei den Angreifern nur hämisches, herzhaftes - aber dennoch für unsere Ohren unhörbares - Gelächter aus. 
Einer erdreistete sich sogar, auf dem Monitor des Opfers seinen Hintern blank zu ziehen...
Aber es gab ja auch noch eine Phase zwei, die automatisch griff, sollten die ersten Attacken abgewehrt werden, denn längst schon hatten die Pornoviren sich in den Tiefen des Computers ausgebreitet und machten sich an die Eroberung der dort installierten Programme. 
Scheiß auf Anti-Viren-Software - mit dem Kinderkram könnt ihr uns nichts anhaben - du wirst schon sehen...

Teil 4

Schweißgebadet saß Harry H. immer noch unermüdlich am PC und schmetterte eine Attacke nach der anderen ab, aber langsam sank ihm der Mut. Hatte er den einen Link gelöscht, kamen drei Neue hinzu. 

Der Schaden an seiner Reputation war angerichtet und würde im besten Fall Hohn und Spott von Seiten Uwe H.s (auch dieser Akteur soll besser androgyn bleiben) nach sich ziehen und bei vielen gar abgrundtiefe Verachtung über die vermeintlichen Niederungen seiner Neigungen hervorrufen.

Ob das je wieder gut zu machen sein würde?

Endlich dämmerte Harry H., dass die bloße Abwehr einzelner Attacken zu keinem abschließenden Erfolg führen würde - meldeten sich doch jetzt bereits verzweifelte und entrüstete Freunde aus den Weiten des Netzes, er würde ihnen per Katalog französischsprachige junge Damen anbieten und sie zu weiterer Unzucht verführen wollen...

War seinen Freunden denn eigentlich nicht klar, dass er zwar bereit war, einem Notleidenden sein letztes Hemd zu geben und auch sein Auto würde er verleihen, so er denn eins hätte - aber niemals - niemals nicht! - würde er Frauen mit jemanden teilen oder sie jemandem feilbieten!!

Es blieb nur noch ein letzter Schritt, um der Attacke dieser gemeinen, von welchem gemeinen, hinterhältigen und grausamem Schurken auch immer entsandten, Pornoviren zu bekämpfen.

Der SuperGAU!

Er musste seinen Computer auf Null setzen!

Totaler Programmverlust!

Das hatte er nun endlich davon, dass er es immer versäumte Wiederherstellungspunkte und Sicherheitbackups zu erstellen...

Mit einem abgrundtiefen Seufzer tat er den unvermeidlichen Schritt - schweren Herzens fuhr er den PC herunter, trennte ihn von der Nabelschnur des weltweiten Netzes, dem ewig pulsierenden Strom des virtuellen Lebens und zog den Stecker aus der Steckdose...

Zwischenspiel 4

Scheiße!
Jetzt war es an den Angreifern zu fluchen, als der pulsierende Strom des Lebens aus dem Internet von einem Moment zum anderen erlosch. Nichts mehr mit Zunge raustrecken, den Hintern blankziehen oder den Stinkefinger zeigen!
Plötzlich wurde den gemeinen Angreifern der Lebensstrom entzogen. 
Von einem Moment zum  anderen war das Programm, in dem sie sich so herrlich gemein breitgemacht hatten, dem unendlichen Nichts gewichen, in dem die Bewußtseine der dreckigen Attentäter wie ein Furz im Wind verwehten...

Epilog

Harry H. konnte den PC nach einigen Stunden wieder hochfahren und harrt nun darauf, dass ihm seine verbliebene Anhängerschaft verzeiht und vor allem mitteilt, ob das Treiben der hinterhältigen Pornoviren ein für alle Mal ein Ende gefunden hat.

Er weiß zwar immer noch nicht, welcher seiner mächtigen, weltweiten Feinde diesen feigen Anschlag gestartet hat - war es Mutti Merkel, die um ihre Wiederwahl zitterte?

Oder Zar Wladimir der Viertel-vor-Zwölfte, der es gar nicht goutierte, dass seine geheimen, monarchistischen Pläne über das weltweite Netz hinausposaunt wurden?

Oder am Ende gar der nach außen hin so strahlende Präsident einer kontinentalen Hegemonialmacht, der es nicht verknusen konnte, dass Harry H. im Falle seiner Steinigung nach dem größten Stein und dem Privileg des ersten Wurfs gerufen hatte?

Harry H. wird dies wohl nie erfahren.

Aber die Welt ist erst einmal wieder gerettet.

Zumindest für die nächsten zwei, drei Tage.

Das sollte erstmal reichen...

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